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Eva Glawischnig: "Werner Kogler ist keiner, der sich leicht abspeisen lässt. Der ist unser absoluter Eisenhintern. Der kann genau wie Frau Fekter acht Stunden sitzen und auf seiner Position beharren."

Foto: Reuters/Niesner

Die Entscheidung der Grünen beim Eurorettungsschirm ESM mit Ja zu stimmen, sorgte für heftigen Wirbel. Zu Unrecht findet Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Sie erklärt im derStandard.at-Interview, warum die Vermögenssteuer noch nicht vom Tisch ist und das Ergebnis keineswegs als "Umfaller" zu werten sei.

derStandard.at: Die Bereitschaft der Grünen, beim ESM mit Ja zu stimmen, sorgt für heftige Kritik der Rechten, aber auch in der eigenen Partei gibt es Widerstand. Im Forum behauptet ein Poster, dass Sie damit WählerInnen-Verrat begingen, weil der Großteil der GrünwählerInnen den ESM absolut ablehne. Glauben Sie ihm das?

Glawischnig: Ich glaube, dass unsere differenzierte Vorgangsweise, gerade was europäische Verträge betrifft, noch einmal transparent gemacht werden muss, wenn so grobe Unterstellungen im Raum stehen. Die Grünen haben zum Beispiel die Griechenlandhilfe abgelehnt, vor allem mit der Begründung, dass es ein Paket ist, das jemandem, der einen Marathon laufen soll, den zweiten Fuß wegamputiert. Wir haben den Fiskalpakt von Beginn an inhaltlich heftig kritisiert. Derzeit bereiten wir dagegen eine Verfassungsklage vor und haben dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.

derStandard.at: Das ändert ja nun nichts an Ihrer Zustimmung zum ESM.

Glawischnig: Was ich damit sagen will, ist, dass wir dort, wo wir Dinge für unvernünftig oder schädlich erachten, sehr präzise und sehr schlagkräftig vorgehen. Im Gegensatz zu BZÖ und FPÖ, die bis jetzt zum Beispiel beim Fiskalpakt keinen nennenswerten Widerstand auf die Beine gestellt haben. Beim ESM haben wir von Anfang an gesagt: Er ist bei aller Ambivalenz ein notwendiges Mittel zum Feuerlöschen, aber keinesfalls ausreichend, um die Brandursachen zu bekämpfen. Deswegen arbeiten wir seit einem Jahr sowohl auf europäischer als auch auf österreichischer Ebene daran, die Spekulation zurückzudrängen.

Nebenbei war die Frage der Mitsprache des österreichischen Parlaments eine Conditio sine qua non. Würde es diese Verfassungsänderung, diese strikte Kontrolle des ESM durch den österreichischen Nationalrat nicht geben, würden wir nicht zustimmen.

derStandard.at: Nun meinen ja viele Experten, dass der ESM nur gemeinsam mit dem Fiskalpakt einen Sinn hat. Müssen sich Ihre Wählerinnen darauf einstellen, dass Sie über kurz oder lang dieser Meinung folgen?

Glawischnig: Das sehe ich nicht so. Es gibt den sogenannten Six-Pack, der den EU-Mitgliedsstaaten strikte Sparvorgaben vorschreibt. Der Fiskalpakt ist vollkommen überschießend und schädlich. Er ist eine Erfindung der Kanzlerin Merkel, die sich einbildet, es müssen alle sparen wie die schwäbische Hausfrau. Ein zweites Problem: Der Fiskalpakt soll mit einfacher Mehrheit beschlossen werden und hebelt zentrale Budgetrechte des Parlaments aus. Das ist genau der Punkt, wo unsere Verfassungsklage ansetzen wird.

derStandard.at: Andererseits haben so manche einen großen Plan, der da heißt "Vereinigte Staaten von Europa". Es gibt namhafte Stimmen, die eine solche Union gar als den einzigen Ausweg aus der Krise sehen. Da wird es wohl ohne Eingriffe in die Souveränität der Staaten nicht gehen.

Glawischnig: Vollkommen richtig. Ich bin auch offensiv dafür, Entscheidungskompetenz dorthin zu geben, wo sie auch gebraucht wird. Durch den Rettungsschirm sollte, wenn er vernünftig eingesetzt wird, Staaten geholfen werden, die sich am Kapitalmarkt nur zu Wucherzinsen refinanzieren können. Ich halte hingegen nichts davon, Banken, die bewusst Spekulationsrisken eingegangen sind und Investmentfehler gemacht haben, zu unterstützen.

derStandard.at: Erliegen Sie da nicht einer Illusion? Stichwort Spanien und Bankenhilfe. Gegen solche Hilfsaktionen ist wohl nicht viel auszurichten.

Glawischnig: Das muss man sich ganz genau anschauen. Ich wäre auch in Österreich dafür gewesen, die Hypo Alpe Adria (für die im Übrigen die Republik in derselben Größenordnung haftet wie beim ESM) oder die Bad Bank der Kommunalkredit krachen zu lassen. Das gilt auch für einige spanische Banken. Es gibt aber wohl auch andere, wo die negativen Auswirkungen der Pleite für viele Menschen so massiv wären, dass es unverantwortlich wäre, sie pleitegehen zu lassen - die Volksbanken zum Beispiel. Man muss das vernünftig abwägen. Mit reiner Emotion und Verratsthesen kommt man keinen Schritt weiter.

Ich würde mir wünschen, dass mehr Hirnschmalz hineingesteckt wird, nicht nur in die Frage, wie man Rettungsschirme klug einsetzt, sondern auch, wie man die Ursachen der Krise effektiv bekämpfen kann und dafür Mehrheiten in Europa zustande bringt. Und dann ein Neustart: über einen Konvent unter der Verantwortung des Europäischen Parlaments zur Zukunft der gemeinsamen Wirtschaftspolitik und zum demokratischen, sozialen und ökologischen Neubau Europas nach der Krise. Dass da am Ende auch eine Volksabstimmung stehen muss, halte ich für grundvernünftig und unabdingbar.

derStandard.at: Das wollen Sie das Volk fragen?

Glawischnig: Natürlich. Da geht es um ganz grundlegende Fragen. Aber mit einer breiten öffentlichen Diskussion und auch mit viel Beteiligungsmöglichkeiten. Das hätten wir schon viel früher gebraucht.

derStandard.at: Seitens der Grünen hat Ihr Vizeklubchef Werner Kogler die Bedingungen mitverhandelt. Die Regierung hat zugesagt, sich auf europäischer Ebene für eine Änderung der EU-Verträge auf dem Wege eines Konvents starkzumachen. Das hat ja nun nicht allzu viel Gewicht.

Glawischnig: Doch. Das muss ja von einem Staat eingebracht werden. Natürlich kann man immer sagen, das alles ist zu wenig, auch die zehn Staaten, die die Finanztransaktionssteuer nun einführen wollen. Ich bin der Meinung, Politik zu kommentieren ist etwas vollkommen anderes als in der Politik etwas zu bewegen. Jetzt stehen wir am Anfang eines Weges, der Europa in eine andere Richtung führen soll als zuletzt der Taktstock von Merkel und Sarkozy. Das war ein mühevoller Prozess.

derStandard.at: Viele werfen den Grünen in Sachen ESM-Abstimmung trotzdem vor, quasi umgefallen zu sein oder andererseits bei den Verhandlungen nicht genug herausgeholt zu haben. Stichwort Vermögenssteuer. Sind Sie umgefallen?

Glawischnig: Die Forderung nach einer Vermögenssteuer hat bewirkt, dass die ÖVP sich bei der Durchsetzung der Finanztransaktionssteuer voll ins Zeug gelegt hat. Die Einführung von vermögensbezogenen Steuern bleibt das wichtigste Instrument für das Ziel Steuergerechtigkeit. Entschieden wird das wohl erst im Wahlkampf.

Zum Vorwurf "zu wenig herausgeholt": Das kommt von einem Wiener Grünen. Ich werde nicht kommentieren, was man bei Verhandlungen zwischen Rot und Grün hätte besser machen können. Das ist immer leicht gesprochen, wenn man nicht selbst in Verhandlungen dabei ist. Das Ergebnis ist absolut herzeigbar. Werner Kogler ist im Übrigen keiner, der sich leicht abspeisen lässt. Der hat einen "Eisenhintern", quasi Werner Beinhart. Er kann genau wie Ministerin Fekter acht Stunden sitzen und auf seiner Position beharren. Da hatte ich größtes Vertrauen, und das hat sich auch bewährt.

derStandard.at: Eingedenk des Sturms der Entrüstung, der die Grünen-Entscheidung auch auf der Social-Web-Plattform Twitter begleitet: Hält die Entscheidung bis Mittwoch?

Glawischnig: Natürlich. Wir arbeiten seit über einem Jahr daran, rund um den ESM wirtschaftspolitische Allianzen zu bauen. Ich würde auch da bitten, noch einmal genauer hinzuschauen, was sich jetzt alles verändert hat. Natürlich ist durch den Machtwechsel in Frankreich einiges leichter geworden, aber es war vor wenigen Monaten noch undenkbar, einen Investitionspakt zu haben, wo auch grüne Investitionen drinnen sind, oder die Finanztransaktionssteuer bis Ende des Jahres auch wirklich auf die Reise zu schicken, oder dass die österreichische Regierung sich auf einen Konvent und Eurobonds einlässt.

So etwas wie die von uns herausverhandelten Mitbestimmungsrechte des Parlaments gibt es bis auf den deutschen Bundestag in keinem europäischen Land, und die Finanzministerin hat sich lange mit Händen und Füßen gegen dieses Gesetz gewehrt. Unter dem Strich ist es daher besser, man hat diesen Rettungsschirm. Wir werden ein sehr genaues Auge darauf haben, wofür er verwendet wird.

derStandard.at: Haben Sie all das in der eigenen Partei zu wenig kommuniziert?

Glawischnig: Es gibt in der eigenen Partei überhaupt kein Problem. Wir haben das im erweiterten Bundesvorstand diskutiert, wir haben das in der Klubsitzung dutzende Male ausführlicht diskutiert, Zwischenergebnisse präsentiert. Immer wieder. Das war ein höchst demokratischer Prozess. Das hat nicht hinter verschlossenen Türen stattgefunden, ganz im Gegenteil. Alles schlecht finden ist ziemlich easy, finde ich. (Regina Bruckner, derStandard.at, 3.7.2012)