"Wir haben uns hochgearbeitet", sagt Josef Leitner - laut Umfrage auf 29 Prozent (2008: 25,5 Prozent). Die ÖVP hat andere Zahlen.

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STANDARD: Die ÖVP zieht immer wieder die Glaubwürdigkeit des Rechnungshofes in Zweifel. Sie kündigte an, im Landtag einen Prüfbericht abzulehnen. In einem anderen Fall kritisierte sie, dass eine leitende Prüferin der niederösterreichischen Gemeindefinanzen rote Gemeinderätin ist. Verstehen Sie das?

Leitner: Ich habe die Prüferin bisher nicht gekannt. Die Methode, wie die ÖVP versucht, vom Kernproblem - viel zu hohen Schulden - abzulenken, ist schlimm. Ich verurteile es zutiefst, Menschen fertigzumachen. Und davon, einen Rechnungshofbericht abzulehnen, halte ich absolut nichts.

STANDARD: Es geht ja nicht um Helga Kraus' Fähigkeiten, sondern um die Frage, warum sie als SPÖ-Mandatarin ausgerechnet die niederösterreichischen Finanzen prüft.

Leitner: Ich sehe da keinen Widerspruch. Beim Rechnungshof gibt es eben Mitarbeiter, die in verschiedenen Parteien politisch tätig sind. Das darf nicht verboten sein. Helga Kraus' Chef Viktor Cypris ist übrigens ehemaliger ÖVP-Bürgermeister. Beide haben den Bericht unterschrieben. Da könnte ich genauso sagen: Ist der ehemalige ÖVP-Bürgermeister auf die ÖVP schlecht zu sprechen?

STANDARD: Noch zum Stichwort Glaubwürdigkeit: Wie glaubwürdig ist eine Politik, die sich - wie ÖVP und SPÖ täglich - in Beschimpfungen per Presseaussendung ergeht?

Leitner: Es ist üblich, dass die Parteisekretariate versuchen, ihre Partei zu platzieren. Ich versuche, mit Sachpolitik zu punkten. Bei unserem Gegenüber gilt leider: Bist du nicht mein Freund, bist du mein Feind. Damit fange ich nichts an. Ist ein ÖVP-Vorschlag sinnvoll, unterstützen wir ihn.

STANDARD: Sind Sie also gar nicht so streitlustig, wie die ÖVP sagt?

Leitner: Mit wüsten Beschimpfungen fange ich nichts an. Wenn in diesem Land jemand Reformen blockiert, ist es die ÖVP, deren absolute Mehrheit weggehört. Wir können gar nichts blockieren.

STANDARD: Laut ÖVP gibt es Umfragen, wonach die SPÖ, würde jetzt gewählt, weniger als 20 Prozent erhielte. Welche Zahlen haben Sie?

Leitner: Wir haben eine aktuelle Befragung des Market-Instituts, in der liegen wir bei 29 Prozent. Wir sind 2008 von sehr niedrigem Niveau gestartet, aber wir haben uns hochgearbeitet.

STANDARD: Bleiben 30 Prozent die Benchmark für die SPÖ?

Leitner: Seit meinem Amtsantritt ist der Dreier vorne Vision. Wenn wir nicht kräftig zulegen, können wir keine neuen Wege beschreiten. Personenbezogene Dienstleistungen werden immer wichtiger, etwa Kinderbetreuung. In Niederösterreich wird von einem sehr konservativen Familienbild ausgegangen, da funktioniert vieles nicht. Das andere ist die Pflege älterer Menschen. Man muss darüber reden, wie man das finanziert.

STANDARD: Wie denn?

Leitner: Wir müssen in den Strukturen sparen. Wir haben ein fettes Event- und Werbebudget, die Schätzungen gehen inklusive ausgelagerter Bereiche in die 50 Millionen Euro. Ich weiß, dass Gartenarbeit super ist, aber es ist nicht Aufgabe des Landes, da zu beraten. Und wir haben eine Überfrachtung des Kulturmarktes. Woher sollen denn die ganzen Besucher kommen? Rund um den Kulturbetrieb ist ein Riesenapparat entstanden. Das Limit ist erreicht.

STANDARD: Und wo ist bei den Gesetzen das große Geld drin?

Leitner: Für bezirks- und länderübergreifende Kooperationen gehören viele Gesetze harmonisiert, etwa Kinderbetreuung und Bauordnung. Zum Schmunzeln ist das Tierzuchtgesetz. Darin gibt es einen Paragrafen, laut dem jede Gemeinde pro 100 deckungsfähigen Rindern einen Gemeindestier besorgen muss, sonst hat sie ein Drittel der Kosten für künstliche Rinderbesamung zu bezahlen. Das kostet die Gemeinden in Niederösterreich zwei Millionen Euro im Jahr. Die Bauern fühlen sich dabei auch nicht wohl. Unser Antrag auf Abschaffung ist im Landtag aber barsch abgewiesen worden.

STANDARD: Zum Thema Mobilität: In Wien wird das Parkpickerl ausgeweitet, wie sehen Sie das?

Leitner: Freude haben wir keine. Eine ordentliche Lösung für die gesamte Ostregion muss her. Das Parkpickerl zu erweitern, ohne neue Parkmöglichkeiten zu schaffen und Öffis zu verbessern, ist nicht okay. Das Bevölkerungswachstum um Wien ist enorm. Wo bleiben da die Pendler?

STANDARD: Abgesehen vom Parkpickerl harmoniert Rot-Grün in Wien nicht so übel. In Niederösterreich gibt es diese Achse nicht. Warum?

Leitner: Die Grünen sind sehr gespalten. Für mich sind sie eine profillose Partei geworden, was sehr schade ist, weil sie ein wichtiger Kooperationspartner wären. Aber aufgrund einiger Persönlichkeiten geht das leider nicht.

STANDARD: Die Grünen sagen wiederum, es gebe in Ihrer Partei nicht-paktfähige Persönlichkeiten.

Leitner: Die können mit gar niemandem von uns. Und: Sie haben uns ein paar Mal reingelegt. An uns wenden sich immer mehr Grüne, die mit dem Kurs gegenüber der SPÖ unglücklich sind.

STANDARD: Geht da nicht auch Potenzial verloren?

Leitner: Das müssen Sie die Grünen fragen. Wir sind jederzeit bereit für gemeinsame Vorschläge. (Andrea Heigl/Gudrun Springer, DER STANDARD, 4.7.2012)