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"Reading Ed Ruscha" im Kunsthaus Bregenz: Spartanisch wirkt die Gutenberg-Galaxis aus kalifornischer Sicht.

Foto: APA/Markus Tretter/KUNSHAUS BREGenz

Bregenz - Ist Ed Ruscha der Maler, der Amerika erfand? Im Gegensatz zu Andy Warhol sein unzynischer Schöpfer? Der heute 75-jährige Künstler und "Americana", das scheint mittlerweile eins zu sein. Deshalb verwundert es nicht, dass die Auftaktarbeit der Ed-Ruscha-Werkschau im Kunsthaus Bregenz um das Buch als Medium, Motiv und Bildträger der Illustrationszyklus zu Jack Kerouacs Beat-Roman On the Road ist.

Dabei reist Ruscha (auszusprechen: Ruuschäi) gar nicht so viel. In Nebraska geboren, in Oklahoma City in einer gläubigen katholischen Familie aufgewachsen, übersiedelte er 1956 nach Los Angeles, um am Chouinard Art Institute Kunst zu studieren, einer Akademie, die Walt Disney finanzierte. Noch 1997 gab Ruscha, der als Grafiker in der Werbung begann, in einem Interview als seine wichtigsten Einflüsse " meine Mutter, Norman Rockwell und Walt Disney" an. Seither hat er nirgendwo anders als in Südkalifornien gewohnt, gelebt, gearbeitet. Dafür ist in seiner Arbeit merkwürdig wenig vom typischen Bildrepertoire der Westküste zu sehen. Nur wenige stilisierte Palmen, keine Pools, keine Badenden wie beim Briten David Hockney, der heute wieder in England lebt.

120 Arbeiten aus den Jahren 1962 bis 2012 sind in Bregenz ausgestellt. Doch die Fülle fällt kaum ins Auge. Von Überwältigen kann keine Rede sein. Denn Ruscha, der sich Modelle vom Zumthor-Bau anfertigen ließ und auch persönlich die Säle in Augenschein nahm, ist diesmal sein eigener Kurator. Er bestimmte, sagte Yilmaz Dziewior, der Direktor des Hauses, mit leicht frivoler Koketterie, 95 Prozent der Schau, er und der Kurator Rudolf Sagmeister steuerten fünf Prozent bei, zumeist Dialog. Wie ordnet nun Ruscha die Exponate an? Asketisch. Und leicht abweisend. Was bedauerlich ist, weil in dieser Simplify-Attitüde mittlerweile geradezu Kunsthaus Bregenz-typisch.

Umgekehrt wäre wohl kein noch aktiver US-Maler von Ruschas Reputation so geeignet gewesen, um mit paradoxem, die Sinne verwirrendem Neo-Barock, mit Bild als Bild, Wort als Bild und mit der Abbildbarkeit von gemalten Wort-Bildern spielend, das Grau-Spartanische der drei Geschoße zu durchbrechen und zu konterkarieren. Wie vor allem seine großen Formate wirken können, wie suggestiv sie Ausstellungssäle zu dominieren verstehen und zugleich deren Aura unterminieren, zeigte vor zwei Jahren eine große, von der Londoner Hayward Gallery organisierte Ausstellung.

Im ersten Geschoß hat Ruscha helle Holztische mit weißen Tischplatten quer aufstellen lassen sowie trogähnliche Schaukästen, auf beziehungsweise in denen seine Künstlerbücher der 60er-Jahre liegen. Analog sinnlich blättern lässt sich in zwei Exemplaren der im Steidl Verlag erschienenen fotografischen Straßenzugsstudie Then and Now (2004); digital ab-strakt, nämlich eingescannt und auf iPads.

Schrift spielt von Anbeginn an eine tragende Rolle im Werk Ruschas. Palindrome nutzt er für ältere wie für ganz junge Arbeiten wie Oh No von 2012, einer Einritzung in den Vorderschnitt eines Buchs. Er hat, wie im zweiten Stock zu sehen, Bucheinbände bemalt oder mit Bleichmittel bearbeitet. Bücher fotografiert, wobei sie stark grafischen Charakter bekamen. Auf Vellum, eine feine Pergamentart, goldene Acrylfarbe aufgetragen. Siebdruck eingesetzt, Vierfarb-Heliogravüren und, wie im obersten, dem malerischsten Geschoß erstmals ausgestellt, Trompe-l'OE il-Bilder gemalt: Old Book back then, Old Book today und Old Book with Wormhole (2011/12). Wer Ruschas Werk kennt, kann hier lohnende Bezüge herstellen; andere werden ob des Mangels an externer Einbettung eher ratlos von dannen ziehen, mit leeren Seiten.   (Alexander Kluy, DER STANDARD, 13.7.2012)