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361 Personen mit echten Depressionen wurden im Hinblick auf die Auswirkung von Sport auf ihre Erkrankung untersucht.

Foto: APA/Julian Stratenschulte

Wien - "Du kannst Deinen 'Blues' nicht wegschwitzen!", titelte die britische Boulevard-Zeitung "The Sun", als diese Studie im angesehenen "British Medical Journal" vor kurzem publiziert wurde: Ein Programm für mehr körperliche Aktivität bei Menschen mit echten Depressionen zeigte sich laut Psychiater Glyn Lewis von der University of Bristol am Freitag beim Europäischen Hausärztekongress (WONCA Europe 2012, bis 7. Juli) in Wien weder als wirksam noch als kosteneffizient.

"Die Weltgesundheitsorganisation sieht Depressionen als eine der häufigsten, wenn nicht die häufigste gesundheitliche Störung an. Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leiden am Vollbild. 5,4 Prozent der Männer und 9,9 Prozent der Frauen in Großbritannien haben aber eine depressive Verstimmung unterhalb des Pegels einer vollen Depression", so Glyn Lewis.

Obwohl die Häufigkeit der allen diagnostischen Kriterien entsprechenden Depressionen nicht angestiegen sei, habe sich beispielsweise in England und Wales seit 2005 die Zahl der Verschreibungen für Antidepressiva verdreifacht. Klar, dass man da nach Alternativen suche.

Unzutreffende Resultate

Die kritische Durchsicht der wissenschaftlichen Literatur sprach für einen Effekt von Ausdauertraining beziehungsweise gesteigerter Intensität und Dauer von körperlicher Aktivität bei dieser psychischen Erkrankung.

Das sich international stets als besonders "unabhängig" und "objektiv" bezeichnende Cochrane-Netzwerk, welches klinische Studien kritisch betrachtet und sogenannte Meta-Analysen mit dem Poolen von Daten zahlreicher Studien und neuen Gesamtanalysen anfertigt, kam gar zu folgendem Ergebnis: Milderung von Depressionen zu einem Faktor von an die 90 Prozent.

Laut Lewis sah dieses Resultat schon danach aus, als dass es nicht zutreffen könne. Die Meta-Analyse umfasste Mini-Studien mit sieben bis um die 50 Probanden - schon allein deshalb oft nicht wirklich aussagekräftig.

"Mehr körperliche Aktivität ist nicht effektiv"

Die britischen Wissenschafter untersuchten daher bei 361 nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilte Personen mit echten Depressionen, ob die Anleitung - rund drei Stunden persönlicher Kontakt mit einem Trainer - zu mehr physischer Aktivität zu einer Milderung der Symptome im Vergleich zu aufrecht erhaltener Routine-Therapie führen würde. Das lief über einen Beobachtungszeitraum von bis zu zwölf Monaten.

Lewis zum Resultat: "Mehr körperliche Aktivität ist nicht effektiv in der Behandlung von Depressionen. Manche Patienten berichten über eine positive Wirkung. Eine klinische Studie muss natürlich immer auf Durchschnittswerte ausgerichtet sein. Das bedeutet aber auch, dass bei manchen Patienten negative Effekte auftreten können."

Die objektive Erhebung der Schwere der depressiven Symptome mit wissenschaftlich anerkannten Fragebögen im Rahmen der Untersuchung brachte nur minimale und statistisch nicht signifikante Ergebnisse zutage.

Lewis: "Auch der Gebrauch von Antidepressiva ging nicht zurück." Freilich, Ausdauersport bzw. ähnliche Aktivitäten bringen natürlich für Gesundheit in Sachen Herz-Kreislauf, Stoffwechsel etc. große Vorteile. Psychologische und soziale Effekte dürften beim Absolvieren solcher Aktivitäten in Gruppen auftreten." (APA, 6.7.2012)