Olga Martynova beim Wettlesen in Klagenfurt

Foto: Johannes Puch

Man muss unbedingt eine Distanz zwischen sich und der Sprache schaffen. Niemand wird unsere Romane lesen wollen, wenn wir einfach nur niederschreiben, was wir denken und fühlen", sagte Olga Martynova, als sie 2011 für ihr bei Droschl erschienenes Romandebüt Sogar die Papageien überleben uns mit dem Chamisso-Förderpreis der Bosch-Stiftung ausgezeichnet wurde. Dem Prinzip der Distanz und der Abweichung ist die am 26. Februar 1962 im sibirischen Dudinka geborene Tochter einer Laborantin und eines Journalisten, die seit 1991 in Frankfurt am Main lebt, nicht nur in ihrer Literatur treu geblieben.

Mit drei "schrieb" sie ihr erstes Gedicht. Und Lyrik, nicht die eigene, sondern unerwünscht vorgelesene, war es auch, die ihr in der Schule Probleme einbrachte. Sie verließ die Anstalt, schrieb sich für Abendkurse ein, schloss ab und studierte anschließend russische Literatur und Sprache. Das war schon in St. Petersburg, wohin sie mit ihren Eltern übersiedelt war und wo sie gemeinsam mit ihrem Mann, dem Autor Oleg Jurjew, noch vor der Auflösung der Sowjetunion im Untergrund die Befreiung der Kunst von den Fesseln des sowjetischen Realismus betrieb. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war es dann eine Verkettung von Zufällen, die das Paar und Sohn Daniel nach Deutschland führte.

Jurjew wurde damals ein Vertrag mit einem deutschen Theaterverlag angeboten, ein deutsches Literaturstipendium folgte, sie blieben. In Rekordzeit lernte Martynova Deutsch, und es dauerte lediglich acht Jahre, bis sie für Die Zeit, die NZZ oder die Frankfurter Rundschau Rezensionen und Essays schrieb.

Die Bewegung zwischen den Sprachen sieht Martynova, die ihre Gedichte weiterhin auf Russisch, Prosa hingegen auf Deutsch schreibt, als Befruchtung. Als Exil will die Autorin, zu deren Lieblingsschriftstellern neben Daniil Charms Joseph Roth, Robert Musil und Thomas Bernhard gehören, Deutschland nicht verstanden wissen. Es wäre dasselbe, sagt sie, wie wenn man von Handke behaupten würde, er befinde sich in Frankreich im Exil. Nun also Klagenfurt. Es ist ein leiser, aber überzeugender Text, mit dem die zurückhaltende Autorin den Bachmannpreis gewann. Olga Martynova wird nun wohl noch mehr unterwegs sein. Es soll uns recht sein, die Rohfassung ihres Romandebüts entstand, wie man hört, auf einer langen Zugreise durch Deutschland.   (Stefan Gmünder, DER STANDARD, 9.7.2012)