Wien - Am letzten Sitzungstag des parlamentarischen Korruptions-Untersuchungsausschusses vor der Sommerpause wurde Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler zum Untersuchungsgegenstand Glücksspiel befragt. Er habe von der Initiative der beiden damaligen Regierungsparteien ÖVP und BZÖ, das Glücksspielgesetz zu ändern, erst "extrem kurzfristig" vor der für den 13. Juli 2006 geplanten Nationalratssitzung erfahren. Da es dabei auch um eine Aufhebung des Glücksspielmonopols gegangen sei, habe er eine "existenzielle Gefahr" für die Lotterien gesehen und daraufhin eine Reihe von ÖVP-Abgeordneten angerufen, um darüber ein Bewusstsein herzustellen. "Es hat mich wirklich kalt erwischt, ich hatte keine Information darüber, dass die Telekom und Novomatic das konkret planen", so Stickler.

Er sei am 12. Juli 2006 gerade auf dem Weg zum Flughafen gewesen, um nach Helsinki zu fliegen, und habe den damaligen BZÖ-Chef Peter Westenthaler angerufen. Er habe wissen wollen, "was da läuft", denn man habe von einer parlamentarischen Initiative zu einer Gesetzesänderung gehört. Für ihn sei mit dem Telefonat klar gewesen, das BZÖ fahre auf dieser Schiene. "Das ist durch, da brauchst dich nicht mehr bemühen", meinte Stickler. Die Aufhebung des Glücksspielmonopols auf diesem Wege wäre ein "gesetzlicher Umsturz", ein "Staatsstreich" gewesen, so Stickler.

Er habe daraufhin seinen Flug abgesagt und sei sofort ins Büro zurückgekehrt. Da die Existenz der Lotterien auf dem Spiel stand, sei es nun darum gegangen, ein Bewusstsein über die Konsequenzen herzustellen, das offenbar bei den handelnden Personen nicht vorhanden gewesen sei. Nur ein ganz kleiner Personenkreis um Westenthaler und den damaligen ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer hätten diesen Antrag vorbereitet. Weder der Finanzausschuss noch die Abgeordneten hätten den Antrag in der Hand gehabt, kritisierte Stickler.

Er habe daraufhin begonnen zu telefonieren und eine Reihe von ÖVP-Abgeordneten, den Wirtschaftsbund-Generalsekretär, Sportvertreter und in der Wirtschaftskammer angerufen, und versucht, die Situation zu erklären. Daraufhin sei es zu einer Erregung im ÖVP-Klub gekommen: "So geht das nicht, ohne Behandlung im Finanzausschuss, ohne Begutachtung wird es diesen Abänderungsantrag nicht geben", erinnerte sich Stickler. Der ÖVP-Klub habe erkannt, was dahinterstecke. "Die Aufhebung des Glücksspielmonopols wäre ein dramatisches Ereignis gewesen." Die ÖVP habe daraufhin ihre Zustimmung zurückgezogen.

Einen Zusammenhang mit den von den Lotterien an die damalige BZÖ-Werbeagentur Orange bezahlten 300.000 Euro für eine neunseitige "Studie" sah Stickler damals nicht. "Beide Aktivitäten haben von mir aus nichts miteinander zu tun, es gab keinen erkennbaren Zusammenhang für mich", so Stickler. Er hatte zwar die Rechnung Ende September 2006 nach Urgenz durch das BZÖ und auf Bitte des damaligen Casinos-Chef Leo Wallner mitunterzeichnet, laut Rechnung sei es aber nicht um diese "Studie", sondern um Beratungsleistungen gegangen, so Stickler. Er habe Wallner gefragt, ob es in Ordnung sei, Wallner habe "Ja" gesagt. Dann habe er unterschrieben. "Ich wusste nicht, worum es geht", so Stickler. Laut Rechnung sei es um Beratungen im Bereich des "Responsible Gaming" gegangen. Den Auftraggeber habe er nicht gekannt, auch nichts über die Geschäftsanbahnung gewusst und ob es Beratungsleistungen gegeben habe. Er habe die Rechnung abgezeichnet, weil Wallner gesagt habe, es sei in Ordnung. Da es nicht sein Geschäftsbereich gewesen sei, habe er sich nicht weiter damit auseinandergesetzt.

Die Diskussion über die "Studie" - ein Sachverständiger der Staatsanwaltschaft Salzburg hatte diese als "die Arbeit eines Laien" bewertet - sei erst später gekommen. Hätte er gewusst, dass für das Gutachten 300.000 Euro bezahlt wurde, hätte er Wallner gefragt, "ist das dein Ernst?", meinte Stickler am Mittwoch. Von einer politischen Nähe der Agentur Orange zum BZÖ habe er nichts gewusst. 

"Studie" im Mittelpunkt

In der weiteren Befragung von Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler sorgte vor allem bei der FPÖ für Verwunderung, dass es offenbar seitens des Unternehmens keine Bestrebungen gibt, dass man das zu viel bezahlte Geld für die neunseitige "Studie" der damaligen BZÖ-Werbeagentur Orange zurückbekommt. In diese Richtung würden keine Überlegungen angestellt, meinte Stickler zum Erstaunen des FPÖ-Fraktionsführers Walter Rosenkranz.

Wie bereits berichteth, war die Studie laut einem Sachverständigen der Staatsanwaltschaft Salzburg "nicht als Gutachten zu bezeichnen", auch "bei großzügigster Auslegung der 2006 gängigen Honorarberechnungen erscheint die Verrechnung von 300.000 Euro für ein neunseitiges Schriftstück mindestens zwanzigfach überzogen und nicht gerechtfertigt".

Auch auf die Frage, ob sich das Unternehmen erkundigt habe, wer den Auftrag an die Orange erteilt hatte, erntete Rosenkranz Kopfschütteln. Ob nachträglich intern nachgefragt wurde, wer von der Agentur "beraten" wurde? Seines Wissens nicht, räumte Stickler ein. Er werde die Sache mit den Vorständen besprechen. Rosenkranz vermutete, in Wirklichkeit sei es bei der "Studie" um verdeckte Parteienfinanzierung gegangen.

Für den Grünen Abgeordneten Peter Pilz ist die entscheidende Frage, wann Peter Westenthaler die Zusage bekommen habe, dass es 300.000 Euro von den Lotterien gebe. Er habe keinen Hinweis darauf, weil er die Rechnung zum ersten Mal in der Unterschriftenmappe gesehen habe, führte Stickler aus. Er habe mit Westenthaler nie über die "Studie" oder Beratungsleistung gesprochen und auch keine Studie in Auftrag gegeben, beteuerte er. Davon, ob dem Geld eine Leistung gegenüberstand, hat sich Stickler vor seiner Unterschrift offensichtlich nicht überzeugt: Er habe Leo Wallner gefragt, ob es in Ordnung sei und der habe bejaht, bekräftigte Stickler. Er könne nicht jeden Geschäftsvorgang überprüfen.

Von der parlamentarischen Initiative, das Gesetz zu ändern, habe er vom 11. auf den 12. Juli gehört, von seinem Kollegen Dietmar Hoscher, damals auch SPÖ-Abgeordneter, oder Wallner selbst. Dass es den Casinos und Lotterien naturgemäß ernst war mit ihrer Sorge, zeigt auch ein Brief vom 12. Juli 2006, also einen Tag vor dem Plenum, der von Stickler und Wallner an Finanzminister Karl-Heinz Grasser und alle Klubs ging. Man habe über mögliche Konsequenzen alarmieren wollen, erklärte Stickler. Von Antworten der Klubs wisse er aber nichts. Wann oder von wem er den entsprechenden Abänderungsantrag bekommen hat, konnte Stickler nicht sagen, Westenthaler könne er aber ausschließen.

U-Ausschuss verzichtet auf Befragung von Wallner

Der parlamentarische Korruptions-Untersuchungsausschuss unter dem Vorsitz der Grünen Abgeordneten Gabriela Moser hat heute, Mittwoch, die Befragung des ehemaligen Casino-Austria-Chefs Leo Wallner bereits nach einer kurzen Befragung abgebrochen. Vom 75-jährigen Wallner stünden dem Ausschuss zum Thema Glücksspiel schon genügend Informationen zur Verfügung, weshalb heute auf eine weitere Befragung verzichtet werde, sagte Moser.

Abgelehnt wurde von ÖVP, SPÖ und BZÖ ein Antrag des Grünen Abgeordneten Peter Pilz, der für September in der Glücksspiel-Causa noch weitere Zeugen - unter anderen Peter Westenthaler, Herbert Scheibner, Günter Stummvoll und Wilhelm Molterer - laden wollte. Dadurch werde die Aufklärung der 300.000 Euro-Zahlung an die BZÖ-nahe Werbeagentur Orange unmöglich, so Pilz. BZÖ-Abgeordneter Stefan Petzner sieht dagegen nach den heutigen Aussagen von Lotterien-Chef Friedrich Stickler keinen politischen Zusammenhang zwischen der Zahlung an Orange und einem im Raum stehenden Gesetzeskauf.

Wohlfahrt verteidigt Novomatic-Vorgehen

Franz Wohlfahrt, Chef des Glücksspielkonzerns Novomatic AG, hat am Mittwoch im parlamentarischen Korruptions-Untersuchungsausschuss wortreich die Vorgangsweise seines Unternehmens bei der gewollten Aufweichung des Glücksspielmonopols durch eine Änderung des Glücksspielgesetzes 2006 verteidigt. Wohlfahrt stellte im Zusammenhang mit einem Vertrag mit Walter Meischberger auch gar nicht in Abrede, dass für diesen auch gesprochen habe, dass er gute Kontakte zum damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F/V) hatte.

Walter Meischbergers Firma "ZehnVierzig" habe für Novomatic vom Frühjahr bis zum Herbst 2005 unternehmensintern Strategien entwickelt, um das Glücksspielmonopol aufzuweichen. In diesem Jahr habe es zwei Rechnungen zu je 60.000 Euro gegeben. Dass sich ein Unternehmen eines Beraters bedient habe, der mit dem zuständigen Minister nicht gerade verfeindet sei, sei Novomatic nicht zum Vorwurf zu machen, meinte Wohlfahrt. Meischberger habe auch ein schlüssiges Konzept unterbreitet.

Nach nur einem halben Jahr sei aber klar gewesen, dass man es alleine nicht schaffen werde, das Monopol durch eine Gesetzesänderung zu ändern. Deshalb habe Meischberger vorgeschlagen, eine Kooperation mit der Telekom zu versuchen. In weitere Folge seien die Leistungen nicht mehr von Meischberger, sondern über die Firmengruppe von Peter Hochegger erfolgt, sagte Wohlfahrt. Meischberger sei dann also keinesfalls ein "Mastermind" gewesen, sondern nur Teil der Strategiegruppe bei Hochegger.

Mit der Telekom habe man jedenfalls einen Partner gefunden, der auch neue Geschäftswege gesucht habe. Auf Grundlage dieser Kooperation habe man eben ersucht, die regulatorischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Mehrfach betonte Wohlfahrt aber, dass es dann noch eine europaweite Ausschreibung für die Lizenz geben hätte müssen. Er bitte auch zu bedenken, dass es geradezu die Verpflichtung von Vorständen sei, dafür zu sorgen, dass Unternehmen über Rahmenbedingungen verfügen, die Wachstum ermöglichen.

Wohlfahrt saß dann auch in einer entsprechenden Arbeitsgruppe. Bei jenen Punkten, für die sich die Abgeordneten besonders interessierten, verwies er aber doch auf die anderen: Der Zeitplan, etwa wann ein Antrag im Parlament eingebracht werden soll, sei lediglich eine Einschätzung der Beratungsfirma gewesen. Gefragt, wer den Abänderungsantrag formuliert hat, erklärte Wohlfahrt, sein Unternehmen habe primär das technische Know-How zur Verfügung gestellt. Er betonte aber auch, dass eine Änderung der Konzession keines juristisch großen Know-hows bedürfe.

Über angeblich geplante Dossiers über Gegner des Kleinen Glücksspiels, auch Nationalratsabgeordnete, wusste Wohlfahrt auch nichts zu berichten. Für Gespräche mit Regierungsvertretern und politischen Entscheidungsträgern wiederum soll laut Wohlfahrt die Telekom zuständig gewesen sein - das sei so vereinbart gewesen, weil die Telekom beste Kontakte gehabt habe. Der damalige Telekom-Vorstand Rudolf Fischer habe diese Aufgabe übernommen.

Wie viel genau man an die Hochegger-Gruppe bezahlt hat, wusste Wohlfahrt nicht, denn diese habe nicht nur das eine Projekt betreut. Im Zusammenhang mit der Valora Solutions (Gesellschafter waren Hochegger, Meischberger und Grasser), die 600.000 Euro brutto von einer Tochterfirma der Novomatic (Austrian Gaming Industries) erhalten hatte, betonte Wohlfahrt, die Zahlungen hätten überhaupt nichts mit dem Projekt zu tun, außerdem sei Grasser zu diesem Zeitpunkt schon längst aus der Regierung ausgeschieden gewesen. Leistungen seien primär von Meischberger erbracht worden und seien etwa Marken- und Shopdesignstudien gewesen.

An die "Studie", für die die zum Monopolisten Casinos-Austria-Konzern gehörenden Lotterien 300.000 Euro an die damalige BZÖ-Werbeagentur Orange bezahlten, konnte sich Wohlfahrt nicht erinnern, er habe sie nicht gesehen. Er schloss "zu 100 Prozent" aus, dass es Zahlungen der Novomatic AG an Peter Westenthaler oder das BZÖ gegeben habe.

Novomatic-Chef: Habe keine Gespräche mit Politikern geführt

Er habe das gesamte Glücksspiel-Projekt nur in rudimentären Ansätzen verfolgt, führte Novomatic-Chef Franz Wohlfahrt am Mittwoch bei seiner weiteren Befragung vor dem parlamentarischen Korruptions-Untersuchungsausschuss aus. Er sei davon ausgegangen, dass, wenn es gelinge, die Entscheidungsträger und Abgeordneten von der Sinnhaftigkeit des Projektes und der Regulierungsnotwendigkeit zu überzeugen, "die Kraft ihrer Kompetenz als freie Mandatare einen Mehrheitsbeschluss im Parlament herbeiführen wird", so Wohlfahrt. Einen Allparteien-Konsens habe er bezweifelt.

Selbst habe er in dieser Sache keine Gespräche mit Politikern geführt, er habe diesbezüglich auf den damaligen Telekom-Vorstand Rudolf Fischer vertraut. Dieser habe ihm positive Signale zur geplanten Gesetzesänderung aus den Regierungspartien - ÖVP und BZÖ - berichtet. "Ich kann mich selbst an kein einziges Gespräch mit Politikern erinnern", so der Novomatic-Chef.

Die weitere Befragung war dann auch von zahlreichen Erinnerungslücken Wohlfahrts geprägt. So konnte er sich trotz mehrmaliger Nachfragen der Abgeordneten nicht mehr daran erinnern, was im Zeitraum zwischen 5. Juli und dem 13. Juli 2006 passierte, als es zu weiteren massiven Interventionen für einen Gesetzesänderungsantrag zum Glücksspielgesetz gekommen war.

"Für mich war maßgeblich, dass dieses Projekt gescheitert ist", sagte Wohlfahrt, und das hätte er am 5. Juli durch eine Mail von der PR-Agentur Hochegger erfahren. Offensichtlich war es den Gegnern gelungen, rechtzeitig davon Wind zu bekommen und dieses Unterfangen abzudrehen. An Details zu parlamentarischen Vorgängen zwischen 5. und 13. Juli könne er sich nicht mehr erinnern.

Fischer hätte die entscheidenden Gespräche mit den Regierungsparteien zu führen gehabt, weil dies besser erschienen sei, da die Telekom bereits ein festverankertes Unternehmen der Republik gewesen sei. Fischer habe fallweise über positive Gespräche berichtet, sei guter Dinge gewesen, dass das Projekt im Parlament auch die Mehrheit finden werde. "Mehr kann ich dazu nicht sagen, habe die Meinung gehabt, dass die Stimmung positiv ist. Von einer sicheren Annahme, dass es kommen wird, kann keine Rede sein", so Wohlfahrt.

Für ihn sei das Projekt bereits am 5. Juli, nach dem Erhalt einer Hochegger-Email, gestorben. Demnach hätten die beiden Regierungsparteien in einer Vorbesprechung zum Finanzausschuss davon Abstand genommen, eine Gesetzesänderung zum Glücksspielgesetz durchzuführen, und das ganze Projekt auf nach die Wahlen verschoben. "Danach habe ich keine Erinnerung mehr, was an Aktivitäten stattgefunden hat", so Wohlfahrt. Erst im Zuge der Einvernahme von Fischer habe er den Eindruck bekommen, dass hier eine Intervention stattgefunden habe, die das BZÖ bewogen hätte, dem Projekt nicht mehr zuzustimmen. Er können dies aber nicht bestätigen. "Ist wohl nur eine Interpretation von Fischer", so Wohlfahrt.(APA, 11.7.2012)