Wien - Zwei Verletzte, eine Richterin, zwei unterschiedliche Urteile: Das ist die Bilanz des Mittwochvormittags im Saal 308 des Wiener Landesgerichts. Zwei Cobra-Beamte, die bei einer Amtshandlung einen - falschen - Verdächtigen unglücklich verletzten, werden, nicht rechtskräftig, freigesprochen, ein Wiener nach einem Streit im Gemeindebau rechtskräftig verurteilt.

Die Vorgeschichten: Im September wollten die Polizisten Gerald E. und Alexander B. in der Wiener Opernpassage einen als gefährlich bekannten Mann festnehmen. Dummerweise war es der Falsche, ein Passant, der gerade ein Schaufenster betrachtete.

Schläge, die niemand sah

Nach der Schilderung des Opfers sei er plötzlich mit dem Kopf gegen die Scheibe gestoßen und anschließend zu Boden gebracht worden, wo er hart mit dem Kopf aufschlug. Dass die Amtshandlung für ihn mit dem Bruch mehrere Gesichtsknochen endete, ist unbestritten. Er erzählt aber auch noch von Schlägen, die kein Zeuge gesehen hat.

Die Angeklagten erzählen anderes: Sie wollten den Verdächtigen in den sogenannten Armstreckhebel nehmen, dabei werden beide Arme fixiert. Mit dem Kopf sei er nicht gegen die Scheibe geprallt, aber beim Versuch, ihn von dort wegzudrehen, seien sie zu Sturz gekommen, daher der ungewollte Aufprall, bei dem sich das Opfer nicht abstützen konnte.

Nachbarin im Gemeindebau gestoßen

Vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung spricht Richterin Karin Beber die beiden frei. Sie habe "massive Zweifel" an der Aussage des Opfers, die Angeklagten hätten einen "guten Eindruck" gemacht, daher gehe sie im Zweifel von einem unglücklichen Verlauf und keiner Fahrlässigkeit aus.

Bei Erich K. kommt sie zu einem ganz anderen Schluss. Der soll in seinem Gemeindebau eine Nachbarin gestoßen haben, worauf die stürzte und sich komplizierte Knochenbrüche der Hand zuzog.

Dass es zuvor zu einem Streit im Stiegenhaus zwischen Herrn K., seiner Frau, und dem Ehemann des Opfers gekommen ist, bestreitet niemand. Dafür gibt es drei bis vier Versionen über das Danach. Der Angeklagte sagt, Sylvia B. sei überhaupt nicht dabei gewesen und im Halbstock gestanden. Wie ihr Knochen brach, wisse er nicht.

Urteil: Sechs Monate Haft

Seine Frau will beobachtet haben, wie Frau B. beim Stiegensteigen ausrutschte. Sylvia B. sagt, sie wollte den Streit schlichten, dabei sei sie von Herrn K. leicht weggestoßen worden und auf die Treppe gefallen. Und ihr Mann sagt aus, K. habe ihr einen starken Stoß versetzt, worauf sie rückwärts auf die Treppe gefallen sei.

Angeklagt ist Herr K. im Gegensatz zu den Polizisten wegen schwerer Körperverletzung. Richterin Beber glaubt dem Opfer und entscheidet auf sechs Monate bedingte Haft über den 59-Jährigen. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 12.7.2012)