Ein außergewöhnlich gut erhaltenes Exemplar des kürzlich beschriebenen Art Macrosemimimus fegerti, das derzeit im Jura Museum Eichstätt zu sehen ist. Dieser gepanzerte Fisch lebte zur Zeit des oberen Jura in einem tropischen Archipel in der Gegend der heutigen südlichen Frankenalb in Süddeutschland. Das Exemplar wurde unter ultraviolettem Licht fotografiert, unter dem die Schmelzschuppen gelb leuchten.

Foto: SNSB

Ein weiterer typischer Vertreter der Panzerfische: Artgenossen dieses gut erhaltenen Exemplars von Lepidotes gigas aus dem Paläontologischen Museum München bevölkerte die Flachmeere des unteren Jura.

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Während zu Lande die Dinosaurier die beherrschende Rolle spielten, dominierten in den Flüssen, Seen und Ozeanen des Erdmittelalters für heutige Verhältnisse ungewöhnliche Fische. Die teilweise stark gepanzerten Fische trugen einen widerstandsfähigen natürlichen Harnisch und hinterließen von der Trias bis in die obere Kreidezeit zahllose Fossilien. Dennoch lagen ihre genaue Systematik, ihre Diversität und ihre Evolution bisher weitgehend im Dunkeln. Der Münchner Wissenschafterin Adriana López-Arbarello ist es gemeinsam mit Kollegen nun erstmals gelungen, ein wenig Ordnung in die verschlungenen Verwandtschaftsverhältnisse dieser "Panzerfische" zu bringen. Dabei fanden die Forscher auch entfernte Nachfahren, die heute noch in Nordamerika zuhause sind.

Panzerfische zählten zu den Knochenfischen und schützten sich mit harten Knochenschuppen, deren Oberfläche zusätzlich mit einer zahnschmelzähnlichen Substanz belegt war und bei großen Formen bis zu einem Zentimeter dick sein konnte. Die Forscher klassifizierten die meisten Panzerfisch-Fossilien in zwei Artgruppen, für die die Namen Semionotus und Lepidotes gebraucht wurden.

Vielfältige gepanzerte Verwandtschaft

In einem gerade erschienen Artikel im Fachjournal "PLoS ONE" untersucht die Paläontologin López-Arbarello von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie die Verwandtschaftsverhältnisse dieser bedeutenden Fischgruppe aus dem Erdmittelalter. Ihre Analyse führt zu überraschenden Ergebnissen: nicht nur sind die Panzerfische sehr viel diverser als bisher angenommen, sondern viele von den bekannten Formen lassen sich auch in die Vorfahrenreihe der heutigen Knochenhechte einreihen.

"Die beiden Gattungen Semionotus und Lepidotes waren bisher so etwas wie 'Mülleimertaxa' für Fische des Erdmittelalters, die harte, knöcherne Schuppen besaßen", erklärt López-Arbarello: "Meine Arbeit zeigt, dass diese Tiere in Wirklichkeit zu zahlreichen separaten Entwicklungslinien gehören, und sowohl die Artenvielfalt, als auch die ökologischen Anpassungen sind sehr viel größer, als wir bisher wussten." Viele der unter diesen beiden Namen zusammengefassten Arten brauchten daher neue Namen.

Knochenhechte als moderne Nachfahren

Aber nicht nur diese Erkenntnis erstaunte die Forscher. Viele der Panzerfische des Erdmittelalters entpuppten sich als Verwandte der Knochenhechte, einer Gruppe von Fischen, die heute mit nur noch sieben Arten in Flüssen und Seen Nordamerikas vorkommen. Die größte unter ihnen ist der Alligatorhecht (Atractosteus spatula); in der Vergangenheit wurden über drei Meter lange Exemplare dieser Art gefangen. "Während die heutigen Knochenhechte gegenüber den etwa 27.000 Arten der modernen Knochenfische kaum eine Rolle spielen, gehört ihre fossile Stammlinie im Erdmittelalter zu den erfolgreichsten Fischgruppen überhaupt," so López-Arbarello. "Zu jener Zeit besiedelten die Ahnen der Knochenhechte zahlreiche ökologische Nischen, sowohl im Süßwasser, als auch in den Ozeanen, und das praktisch weltweit."

Obwohl Fische zu den häufigsten Fossilien überhaupt gehören und auch heute mit etwa 28.000 Arten fast die Hälfte der bekannten Wirbeltiere stellen, ist diese Gruppe immer noch vergleichsweise wenig erforscht. "Was die Fische des Erdmittelalters angeht, so wissen wir, trotz zahlreicher Funde, immer noch erschreckend wenig, und nicht nur die evolutiven Zusammenhänge, sondern häufig auch die Vielfalt der Arten ist bisher unklar", sagt López-Arbarello: "Dabei ist dies die Zeit, in der sich die modernen Fischgruppen etablieren, und ein besseres Verständnis der Evolution der Fische dieser Zeit würde auch den Ursprung der heutigen Fischfaunen erhellen." (red, derstandard.at, 14.7.2012)