Franz Reisecker und Wolfgang Schlögl und ihr aufregendes neues Projekt Paradies der Tiere.

Foto: GEORG ECKMAYR

PARADIES DER TIERE (Wohnzimmer/Hoanzl)
Wolfgang Schlögl von den Sofa Surfers und Franz Reisecker von Trio Exklusiv oder Lichtenberg legen mit ihrem neuen Projekt eine beeindruckende, nur im norddeutschelnden Gesang etwas schwächelnde Arbeit vor. Für FM4 zu sperrig, für Ö1 zu wild geht es mit anspielungsreichen deutschen Texten (Achtung, Schnitzeljagd: "Klatscht in die Hände und tanzt den Humanismus!") durch jene wilden burlesken Hinterhofgegenden, in denen Tom Waits gern den Pappmond von Alabama aufgehen lässt - oder sich dünnleibige elektrische Gitarristen den Amokblues intravenös setzen. "Menschen fressen Menschen": Das Paradies der Tiere verjagt mindestens zehn aktuell gehypte Wiener Jungscharbands zurück zu Mutter. Wenn in Österreich tatsächlich einmal aufregende Musik erscheint, will das niemand hören. Es ist eine Tragödie.

ALEX CLARE The Lateness Of The Hour (Island/Universal)
Der ehemalige Loser von Amy Winehouse versucht ähnlich wie Jamie Wood, souliges Songwriting mit seit den Proll-Teen-Beats eines Skrillex auch schon nicht mehr ganz superangesagten Dubstep-Beats zu verbinden. Geholfen haben die Spitzenkräfte Diplo und Switch. Es gibt eine Coverversion des aktuell wieder in den Formatradios umgehenden Prince: "When Doves Cry". Ein wenig hört sich das Ganze aber doch an, als ob Deutschlands aktuellster Superstar gerade auf Lionel-Richie-Karaoke macht.

COLD SPECKS I Predict A Graceful Expulsion (Mute/Good To Go)
Das Signing der in London lebenden 23-jährigen kanadischen Soul- und Folksängerin für das reanimierte Mute-Label (Depeche Mode, Nick Cave, Laibach...) zeigt nach einigen aktuelleren Fehleinkäufen wie Liars, Beth Jeans Houghton, Big Deal, S.C.U.M. oder Apparat, dass dort die fetten Jahre offenbar endgültig vorbei sind. Cold Specks macht ihre Sache im Grenzgebiet zwischen Janis-Joplin- und Aretha-Franklin-Verehrung mit den Mitteln der Fußgängermusik zwar recht gut. Angesichts einer mittlerweile mindestens fünf Jahre währenden Schwemme an immer noch neueren Musikern mit Wandergitarren und Melancholie im Blut klingt die Angelegenheit aber auch reichlich egal.

THE WALKMEN Heaven (Bella Union/ Universal)
Die New Yorker Band besteht seit zwölf Jahren, veröffentlichte räudige wie kluge Schrammelrockmusik, die immer schon die zeitgleich gegründeten The Strokes in den Schatten stellte, hat es aber nie wirklich geschafft. Nun ist man etwas ruhiger geworden und hat sich für die Aufnahmen des neuen Albums in die Wälder um Seattle zurückgezogen. Dort ist mit Fleet-Foxes-Produzent Phil Ek und Sänger Robin Pecknold als Gast ein pastorales, glückselig in Chorharmonien badendes Jubelalbum entstanden, das einen schlicht vergessen lässt, dass diese Band einmal Lederjacken und Ray Bans getragen hat. (schach, Rondo, DER STANDARD, 20.7.2012)