"Technologien bringen die Volkswirtschaften Afrikas in Schwung", meint Fondsmanager Mark Mobius.

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STANDARD: In Europa und den USA kühlt sich die Wirtschaft ab. Auch für China erwarten viele Ökonomen niedrigeres Wachstum. Wird die Landung hart oder sanft sein?

Mobius: Keines von beiden. China wird weiter fliegen. Fragen Sie den negativsten Ökonomen zu China, und er wird Ihnen sagen, dass er fünf Prozent Wachstum in China erwartet. Das ist fünfmal so viel wie in Europa oder Amerika. Wir müssen China ins rechte Licht setzen. Das Land ist über Jahre zweistellig gewachsen, weil es eine relativ kleine Volkswirtschaft war. Nun wird die wirtschaftliche Basis des Landes größer, also wird das Wachstum geringer ausfallen.

STANDARD: Aber muss sich China nicht grundlegend ändern? Die Wirtschaft wird von Investitionen hochgehalten, die Einkommen und der Konsum halten nicht mit.

Mobius: Die Reform des chinesischen Wachstumsmodells ist im Gange. Der aktuelle Fünf-Jahres-Plan zielt darauf ab, von einer exportgetriebenen Wirtschaft zu einer konsumgetriebenen Wirtschaft zu kommen. Die Chinesen haben nur einen Weg, das zu schaffen. Sie müssen den Leuten Geld in die Hand geben. Das bedeutet Lohnerhöhungen von zehn Prozent und mehr, jährlich.

STANDARD: Aber wird China dann noch die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft sein können?

Mobius: Es steht fest, dass das Land weiterhin wachsen wird. Aber wir können nicht von China erwarten, dass es Retter der globalen Konjunktur ist. Europa, die USA und Japan sind ökonomisch riesig, und eine Wachstumsschwäche dort ist weltweit zu spüren.

STANDARD: In den vergangenen 20 Jahren ist Asien ökonomisch aufgestiegen. Wer wird die nächsten 20 Jahre am stärksten wachsen?

Mobius: Afrikanische Staaten. Bereits im vergangenen Jahrzehnt gehörten sechs Länder des Kontinents zu den zehn am schnellsten wachsenden Länder weltweit.

STANDARD: Wieso soll Afrika nun nachhaltig wachsen?

Mobius: Das hat zwei Gründe: Zuerst die Investitionen von anderen Schwellenländern. Die Schwellenländer sind im letzten Jahrzehnt vom globalen Schuldner zum Gläubiger geworden. Länder wie China oder Brasilien investieren gerne in Afrika, weil sie die Wirtschaftsstrukturen selbst kennen. Brasilianische Unternehmen etwa investieren verstärkt in den ehemaligen portugiesischen Kolonien wie Angola oder Mosambik. Dazu kommen Technologien wie die Mobiltelefonie.

STANDARD: Aber die Technologien verschaffen Afrika ja keinen Vorteil, die gibt es auch anderswo.

Mobius: Alles, was woanders viele Zwischenschritte gebraucht hat, geschieht in Afrika viel schneller. Mobiltelefone verbreiten sich in Afrika rasant, ohne dass es zuvor weit verbreitete Festnetztelefonie gegeben hätte. Diese Dinge bringen die Volkswirtschaften in Schwung und revolutionieren gleichzeitig das Postwesen oder die Finanzbranche.

STANDARD: Aber die Entwicklung verläuft selten geradlinig. In Indien etwa versinkt die Politik in einem Korruptionsskandal.

Mobius: In Indien hat die Politik die Wirtschaft schlecht verwaltet. Die Zentralregierung und der politische Prozess in Indien sind leider vollkommen korrumpiert. Und der jüngste Skandal hat nun die Entscheidungsfindung in Indien vollends zum Erliegen gebracht. Eine stabile Demokratie braucht gebildete Wähler. Das ist das Problem in vielen Schwellenländern. Sie müssen ein demokratisches System in wirtschaftlicher Armut entwickeln. Das verleitet zum Stimmenkauf, was völlig logisch ist. Solange man kein Essen auf dem Tisch hat, ist man dafür natürlich auch empfänglich.

STANDARD: Korruption bleibt zentrales Thema in Schwellenländern?

Mobius: Korruption ist ein Problem, aber global. Warum haben die USA nicht eine viel strengere Bankenregulierung vorgenommen, etwa die Universalbanken zerschlagen? Weil sie über Lobbying enormen Einfluss haben. Wenn JPMorgan-Chef Jamie Dimon vor dem Ausschuss im US-Kongress aussagt, wird er von Abgeordneten mit Samthandschuhen angefasst. Wieso? Weil sie alle Geld von ihm erhalten haben. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 20.7.2012)