Beten, dass es wieder kälter wird. Eisbären sind eine viel ältere Erfindung der Evolution als gedacht. Doch immer wenn es warm wurde, gingen ihre Zahl und ihre Größe zurück.

Foto: Susanne Miller, U.S. Fish and Wildlife Service

DNA-Analysen lassen vermuten, dass sich Eisbären vor vier bis fünf Millionen Jahren von Braunbären abgetrennt haben. Dennoch dürfte es immer wieder zu einem genetischen Austausch (hier als graue Zonen dargestellt) zwischen den beiden Arten gekommen sein. Die Untersuchung von nur über die Mütter weiter gegebene mitochondriale Erbanlagen (punktierte Linien) zeigt, dass zumindest einmal vor rund 160.000 Jahren (hier mit einem x markiert) Mitochondrien-DNA des Eisbären durch jene des Braunbären ersetzt worden sein dürfte.

Grafik: Penn State University

Sie sind perfekt an ihre eisige Umwelt angepasst: Das Fell und die bis zu zehn Zentimeter dicke Fettschicht darunter isolieren den Eisbären so gut, dass Infrarotaufnahmen der weißen Riesen praktisch unmöglich sind. Weiß erscheinen Eisbären vor allem deshalb, weil ihre äußeren Fellhaare hohl sind, was für noch mehr Wärmedämmung sorgt.

Das sind noch längst nicht alle Besonderheiten, die den Eisbären von seinen nächsten Verwandten - dem Braunbären und dessen großen arktischen Unterarten wie dem Grizzly - unterscheiden. Dennoch schienen erste DNA-Analysen darauf hinzudeuten, dass der Eisbär eine relativ junge, gerade einmal 160.000 Jahre alte Erfindung der Evolution ist.

Eine neuere Studie im Fachblatt Science im April datierte die Aufspaltung von Eis- und Braunbären etwas weiter zurück, nämlich auf 800.000 Jahre. Doch selbst das dürfte viel zu kurz gegriffen sein, wie die bisher umfassendste vergleichende Erbgutanalyse von 28 verschiedenen Bären zeigt. Demnach gingen die Braun- und die Schwarzbären bereits vor rund fünf Millionen Jahren getrennte Wege. Wenig später bereits spalteten sich dann die Eisbären von den Braunbären ab, schreibt ein internationales Forscherteam um Charlotte Lindqvist (Uni Buffalo) im Fachblatt PNAS. Damit hätten die Eisbären viel länger Zeit für ihre Anpassungen an das Leben in den Polarregionen gehabt.

Neue Eisbären-Urmutter

Wie aber kam es, dass man sich beim genetischen Alter der Eisbären zunächst so sehr verschätzte? Das lag daran, dass zuerst bloß die sogenannte mitochondriale DNA analysiert wurde, die sehr viel kleiner ist als jene des Zellkerns und bloß mütterlich vererbt wird. Tatsächlich scheint es so zu sein, dass vor rund 160.000 Jahren die Population sehr stark zurückging, sich die Tiere nolens volens mit Braunbären paarten - und eine Braunbärin zur neuen Urmutter der nachfolgenden Eisbärengenerationen wurde.

Für Charlotte Lindqvist zeigen die neuen Daten außerdem, wie sich die Klimageschichte ins Genom der Eisbären einschrieb: "Als es kälter wurde, nahm die Anzahl der Bären zu, und sie wurden größer." In Warmzeiten passierte das Gegenteil. Sind die Eisbären also womöglich besser auf den Klimawandel vorbereitet als bisher gedacht? Die Biologin ist skeptisch.

Einerseits deute die sehr viel längere Entwicklungsgeschichte zwar darauf hin, dass die Tiere schon öfter Warmzeiten überstanden. Andererseits dürften Eisbären knapp am Aussterben vorbeigeschrammt sein, was ihre genetische Diversität stark einschränkte, so Lindqvist. "Und deshalb reagieren sie heute wahrscheinlich sehr viel empfindlicher auf Veränderungen des Klimas als früher." (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 25.7.2012)