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Franz West im Jahr 2007.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Wien - Der renommierte österreichische Künstler Franz West ist in der Nacht auf Donnerstag im Wiener AKH verstorben, wie die "Kleine Zeitung" unter Berufung auf Wests Schwager berichtet. West hatte seit Jahren an infektiöser Gelbsucht gelitten. Im Vorjahr wurde er bei der Biennale Venedig mit dem Goldenen Löwen für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Dort hatte er Österreich bereits im Jahr 1990 unter Kommissär Hans Hollein vertreten. Am 16. Februar hatte West seinen 65. Geburtstag gefeiert.

"Österreich verliert mit Franz West einen herausragenden Künstler, einen Leuchtturm zeitgenössischer Kunst mit internationaler Strahlkraft", reagierte Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny am Donnerstag auf den Tod des Künstlers. West wird von der Stadt Wien mit einem Ehrengrab am Zentralfriedhof gewürdigt. Das Begräbnis selbst soll im kleinsten Familienkreis stattfinden.

Kulturministerin Claudia Schmied würdigte West als "einen wahrhaft bedeutenden zeitgenössischen Künstler unserer Zeit". West habe sich nie Modeströmungen unterworfen, sondern sei immer "seinen eigenen Weg" gegangen, wie sie in einer Aussendung zitiert wird. "Er war ein Grenzüberschreiter, der nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland als bedeutender Künstler der Moderne angesehen wird. Die besondere Sprache seines dreidimensionalen Gestaltens manifestiert die Bedeutung dieses Künstlers." Als "Revolutionär der Bildhauerei" bezeichnete BZÖ-Kultursprecher Stefan Petzner West in einer Aussendung. "Er war einer der gefragtesten Künstler Österreichs in der internationalen Kunstszene", der mit "seinen Arbeiten den Bogen von Prothesen über Möbelstücke bis zu Kunstgegenständen" geschafft habe.

MUMOK-Ausstellung im Februar 2013

Noch gemeinsam mit West hat das Wiener MUMOK die Erarbeitung einer Retrospektive für das kommende Frühjahr begonnen, wie eine Sprecherin des Museums mitteilte. Eröffnet werden soll die simpel "Franz West" betitelte Ausstellung am 22. Februar 2013.  "Mit ihm verliert die Kunstwelt einen ihrer innovativsten und radikalen Köpfe", sagte MUMOK-Chefin Karola Kraus in einem Statement gegenüber der APA. "Das MUMOK trauert um seinen Freund und Ideengeber." 

Für Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco stellte West "einen der profiliertesten, wichtigsten und einflussreichsten Künstler seiner Generation" dar, der bereits in den 1970er Jahren "zu einem der wichtigsten Impulsgeber für die österreichische Kunstszene" wurde. In einer Stellungnahme strich sie seinen "ungemein innovativen Skulpturbegriff" ebenso hervor wie seine Vorreiterrolle für die "relational-partizipativen Strömungen des letzten Jahrzehnts. Die außergewöhnliche Karriere Wests sowie der Mensch Franz West werden in Wien wie auch international schmerzlich vermisst werden."

Der Wiener lotete mit oftmals großformatigen Skulpturen das Spannungsfeld zwischen Prothese, Möbelstück und Kunstgegenstand aus. Über viele Jahre galt West als einer der gefragtesten Künstler Österreichs in der internationalen Kunstszene. Seine Arbeiten gehören zu den teuersten, mit denen Österreich auf dem internationalen Kunstmarkt vertreten ist, und waren an prominenten Orten wie dem Belvedere-Garten, an öffentlichen Plätzen und am Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper in der Saison 2009/10 zu sehen. Ungeachtet aller internationalen Erfolge blieb West seiner Heimatstadt stets eng verbunden.

Bei Bruno Gironcoli studiert

Geboren wurde Franz West in der Bundeshauptstadt am 16. Februar 1947. Nach einigen Schulbesuchen respektive -abbrüchen folgten Reisen, Gefängnisaufenthalte und nicht zuletzt prägende Freundschaften wie jene mit dem Schriftsteller Reinhard Priessnitz. Nach dieser Zeit der autodidaktischen Studien studierte West von 1977 bis 1982 bei Bruno Gironcoli an der Akademie der bildenden Künste in Wien.

Seiner ersten Ausstellung 1970 in der Wiener Galerie Hamburger folgten unzählige wichtige Einzelausstellungen und Beteiligungen an Gruppenausstellungen auf der ganzen Welt. Zu den bedeutendsten Personalen zählten etwa jene im New Yorker Museum of Modern Art im Jahr 1997, in den Hamburger Deichtorhallen (2002), im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) im Jahr 2008 oder jene in der Riehener Fondation Beyeler vor drei Jahren.

1974 entstanden die ersten "Paßstücke" (für den menschlichen Körper), tragbare Gebilde aus Papiermache und Gips, die beliebig benutzt werden konnten. Seine Auslotung der physischen, psychischen, kultischen und nicht zuletzt auch profanen Gebrauchsdimensionen der Skulptur an sich trieb West mit seinen "Möbeln" weiter voran. Stühle und Liegen, die aus Eisen und Industrieschrott zusammengeschweißt wurden, luden an ausgewählten Orten zur Benützung und Betrachtung ein; etwa im Kunsthistorischen Museum, in Venedig und nicht zuletzt bei der documenta 9.

In Debatten, ob seine Objekte nun Kunst oder Gebrauchskunst oder Nicht-Kunst sind, ob das Werk womöglich erst durch Benutzung und Besetzung des Besuchers zur Kunst wird, ob es am Sockel stehend der ehrfürchtig-kultischen Kontemplation oder im stillen Kämmerchen der ungestörten Benutzung dienen sollte - in solche Diskussionen mischt sich Franz West nicht ein. Beim Wiener "ImPulsTanz"-Festival im Vorjahr ließ er allerdings den Performer Ivo Dimchev seine Objekte tänzerisch benutzen - und spielte Videos von dessen Handlungen auch bei Ausstellungen ein, um die Menschen damit ebenfalls zur Interaktion mit den Kunstwerken anzuregen.

Schließlich hatte West durchaus auch eine didaktische Ader. Von 1992 bis 1994 übernahm er eine Professur an der Frankfurter Städelschule. 1993 erhielt er den mit 300.000 Schilling (21.800 Euro) dotierten Skulpturenpreis der EA-Generali Foundation. 1998 erhielt er den mit rund 100.000 Euro dotierten Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig in Köln. Im Herbst 2010 war West sowohl eine Personale beim steirischen herbst, im Kölner Ludwig Museum als auch eine Einzelausstellung von Großskulpturen in Rom gewidmet. (APA/red, derStandard.at, 26.7.2012)