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Rosa: Franz West vor seiner Skulptur "Drama (Modell)" 2001 im Kunsthaus Bregenz.

Foto: apa /FRANZ WEST / KUNSTHAUS BREGENZ / RUDOLF SAGMEISTER

"Doku-Stuhl": Collage aus mehreren West-Sesseln.

Foto: Documenta

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Franz West im Jahr 2007.

Foto: APA/BARBARA GINDL

Wien - Der internationale Durchbruch gelang Franz West spätestens 1992 auf der von Jan Hoet kuratierten Documenta IX: Die vom Herumlaufen erschöpften Besucher konnten sich auf seinen aus Metallgestänge geschweißten Sesseln und Diwanen ausruhen, die mit bunten afrikanischen Stoffen überzogen waren. Die Sitzmöbel, damals erschwinglich, fanden rasch enorme Verbreitung: Sie dienen seither allerorts Galeristen und Sammlern als signal- und bekenntnishafte Inneneinrichtung.

Dieser Stuhl, schließlich in hoher Stückzahl hergestellt, geriet bei manchen zwar als "Produkt" in Verruf. Er symbolisiert aber eindrucksvoll den Ansatz von Franz West, "benutzbare Kunst" schaffen zu wollen. Diesem blieb er bis zum Schluss treu: Viele Skulpturen haben kleine Sitze; der Betrachter darf das Objekt ausdrücklich verwenden.

West, am 16. Februar 1947 in Wien als Sohn einer Zahnärztin und eines Kohlenhändlers geboren, studierte von 1977 bis 1982, nach mehreren Schulabbrüchen, Reisen und Gefängnisaufenthalten, an der Akademie der bildenden Künste beim Bildhauer Bruno Gironcoli. Prägend war für ihn der Wiener Aktionismus, insbesondere die Material- und Körperaktionen von Hermann Nitsch, Otto Mühl und Günther Brus.

Auch bei ihm sind die Körperbezogenheit und das haptisch Erfahrbare von zentraler Bedeutung: Um dem Diktum entgegenzuwirken, dass Kunst nur für Betrachtung geeignet sei, entwickelte West bereits in den 1970er-Jahren sogenannte Passstücke, die von der FAZ vor einigen Jahren zu "Inkunabeln zeitgenössischer Skulptur" erklärt wurden. Es handelt sich dabei um Objekte aus Pappmaché, Polyester, Gips oder Aluminium, die der Betrachter an den eigenen Körper anpassen und/ oder als Prothese verwenden soll.

Auf der Documenta IX waren von Franz West zudem Lemurenköpfe zu sehen. Diese unförmigen, gespenstischen, hohlen Fratzen sollten eigentlich als Brückenköpfe dienen. Ein knappes Jahrzehnt später, 2001, kam es in Wien wirklich dazu: Seit der Ausstellung Gnadenlos im Mak zieren vier Lemurenköpfe - als Leihgabe eines privaten Sammlers - die Stubenbrücke. Auch sie stehen für das Werk von West, der im Laufe der Zeit immer größere Skulpturen schuf, und seinen Humor.

Binnen weniger Jahre wurde West, den bereits Hans Hollein 1990 als österreichischen Beitrag zur Kunstbiennale Venedig präsentiert hatte, zu einer fixen Größe des Kunstmarkts. Die Arbeit konnte er längst nicht mehr selbst bewältigen: In seiner Werkstatt waren mitunter dutzende junge Künstler beschäftigt. Sie bauten nach Modellen patchworkartig die dreidimensionalen phallusartigen Schlangen, die Windungen und Schleifen zusammen, die der Meister mit ein paar gezielten Hammerschlägen zu unverkennbaren Wests veredelte. Und dann wurden die Skulpturen monochromatisch lackiert - in Gelb- oder Grüntönen zum Beispiel.

Oder in Rosa, wohl seiner bevorzugten Farbe: Legendär ist etwa die Überschüttung eines Maserati mit rosa Lack bei der Eröffnung der bereits erwähnten Ausstellung Gnadenlos 2001 im Mak.

Im Kunstkompass-Ranking der weltweit wichtigsten lebenden Künstler schaffte es Franz West, der in vielen großen Häusern, darunter im New Yorker Museum of Modern Art, große Einzelpräsentationen hatte, 2004 sogar unter die Top Ten. Dann nahm die Bedeutung etwas ab; eine infektiöse Gelbsucht machte dem kauzigen Künstler, der immer wieder skurrile Performances veranstaltete und bei diesen das Publikum als Akteur einband, immer stärker zu schaffen. Für die Saison 2009/10 gestaltete er den Eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper. 2011 wurde noch ein ganz großes Jahr für West: Als erster Österreicher erhielt er, leise und am Stock gehend, einen Goldenen Löwen für sein Lebenswerk. Und zur Eröffnung des Impulstanz-Festivals, zu dem Bundespräsident Heinz Fischer in die Hofburg eingeladen hatte, kam es zu einer Choreografie mit Passstücken: Ivo Dimchev baute sie in seinen Tanz ein, es gab Standing Ovations für West.

Vor wenigen Wochen, bei der Art Basel, vermochte er noch einmal zu überraschen: Mit einem monströsen, rosa lackierten Gekröse, seiner größten Skulptur, die sogleich von Kindern als Abenteuerspielplatz in Beschlag genommen wurde, dominierte er eindrucksvoll die Kunstmesse.

Seine letzte große Ausstellung, die er mitkonzipierte, findet posthum statt (ab 22. Februar 2013 im Mumok): In der Nacht auf Donnerstag starb Franz West im AKH. Er wird von der Stadt Wien mit einem Ehrengrab am Zentralfriedhof gewürdigt. Das Begräbnis soll, wie es heißt, im kleinsten Familienkreis stattfinden.   (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 27.7.2012)