Sie hanteln sich auf eigenes Risiko von Auftrag zu Auftrag. Ohne sichere Einkommen, nicht selten auf Basis dubioser Kettenverträge. Urlaubs- und Weihnachtsgeld gibt es keines, ebenso wenig Krankengeld. Wer zum Arzt muss, zahlt saftige Selbstbehalte. Frauen in Karenz bekommen lächerlich geringes Wochengeld. Längere Arbeitsausfälle sind existenzbedrohend. Prekäre Arbeitsverhältnisse wie diese sind Alltag zehntausender Selbstständiger in Österreich.

Sie üben Jobs quer durch alle Branchen aus, sind Bauarbeiter, Grafiker, Architekten, Altenpfleger, Psychotherapeuten, Journalisten oder Botenfahrer. Die einzige Gemeinsamkeit ist, dass sie ihr Arbeitsleben als Einzelkämpfer bestreiten und dabei ähnlich armutsgefährdet sind wie Hilfskräfte.

Sozialpartner suchen das Weite

Österreichs Wirtschaftspolitik ignoriert ihre Probleme: Seit Jahren klammern die bestehenden Rahmenbedingungen die Realität aus. Statt handfeste richtungweisende Maßnahmen zu setzen, verteilt man lieber kleine Pflaster zur Beruhigung. Von den brennenden Themen lassen die Sozialpartner konsequent die Finger.

Eines davon ist die Sozialversicherung. Sie hält auch in Zeiten der Verluste die Hand auf: je geringer der Verdienst, desto höher der prozentuelle Beitrag. Jeder zehnte Versicherte wird deswegen exekutiert und im Extremfall bis unters Existenzminimum gepfändet. Die dringend notwendige weitere Absenkung der Mindestbeitragsgrundlage hat die Regierung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben.

Stattdessen stiegen heuer die Pensionsbeiträge. Das für diesen Sommer versprochene neue Krankengeld-Modell wiederum hängt in der Luft. Und ob Stundung der Nachzahlungen, Anpassung des Wochengelds an jenes der Unselbstständigen oder außergerichtliche Vergleiche bei Exekutionen: Es bleibt bei halbherzigen Ansagen.

Die an die Gesundheitsvorsorge geknüpfte Halbierung des Selbstbehalts kommt meist nur den ohnehin Gesunden zugute. Armut hingegen erlaubt keinen heilsamen Lebensstil, Kranke werden künftig finanziell zusätzlich bestraft. Warum haben Menschen, die für weniger als 11.000 Euro netto im Jahr arbeiten, kein Recht auf eine für sie leistbare Gesundheitsversorgung?

Viele Schutzbedürftige

Es geht hier um keine gestandenen Unternehmer und Arbeitgeber. Antiquiert ist das Image der Gstopften, die alles von der Steuer absetzen und sich mit Schwarzarbeit ihr Zubrot verdienen. Reiche Steuerberater oder Ärzte sind die eine Seite. Vielen Dienstleistern aber bleibt - outgesourct von früheren Arbeitgebern - gar keine andere Wahl als die Selbstständigkeit. Zu gerne wird unternehmerisches Risiko auf günstige externe Kräfte abgewälzt, zu hohen Preisen für die Betroffenen.

Klar, mancher Selbstständige, der von Selbstverwirklichung träumt, verwechselt Umsatz mit Gewinn und erlebt bei Nachzahlungen an Finanzamt und Sozialversicherung böse Überraschungen. Dass aber so viele der rund 280.000 Ein-Personen-Betriebe unter widrigen Verhältnissen arbeiten, weist auf eklatante Fehler im System hin.

Selbstständige brauchen keine Extrawürstel, sondern Fairness. Viele unter ihnen sind schutzbedürftig, sie gehören in vielen Bereichen mit gleichen Rechten ausgestattet wie Angestellte. Doch davon ist man in Österreich weit entfernt. Eine Urbefragung der Wirtschaftskammer soll zwar Licht in Bedürfnisse der Kleinsten bringen. Kosten dürfen die Folgen letztlich aber nichts - was ein Affront ist. Ohne Geld in die Hand zu nehmen, wird sich die Armutsspirale nicht stoppen lassen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 30.7.2012)