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Jekaterina Samutsewitsch (oben Mitte), Nadeschda Tolokonnikowa (rechts) und Maria Alechina (links) wird der Prozess gemacht. Den jungen Frauen wird vorgeworfen, Ende Februar die orthodoxe Christ-Erloeser-Kathedrale gestürmt und von der Kanzel den russischen Präsidenten Wladimir Putin verunglimpft zu haben.

Foto: AP/dapd/Mikhail Metzel

Im umstrittenen Justizfall um die russische Frauenband Pussy Riot hat ein Gericht in Moskau den Prozess nach rund zehnstündigen Verhandlungen auf diesen Dienstag vertagt. Dann sollen weitere ZeugInnen zu der Protestaktion gegen Präsident Wladimir Putin in der wichtigsten orthodoxen Kirche Russlands gehört werden, wie die Agentur Interfax am Montag meldete. 

Foltervorwurf

Die AnwältInnen der drei Angeklagten warfen Richterin Marina Syrowa zum Ende des ersten Verhandlungstags schwere Verstöße vor. Syrowa habe die jungen Frauen weder essen noch trinken noch zur Toilette gehen lassen. "Das ist Folter", sagte eine der VerteidigerInnen. Die Richterin wies dies zurück.

Zum Auftakt am Montag erklärten die drei angeklagten Frauen ihre Unschuld. Sie äußerten aber zugleich Bedauern, falls ihr in einer orthodoxen Kirche aufgeführtes "Punk-Gebet" gegen den damaligen Premier und heutigen Präsidenten Wladimir Putin Gläubige verletzt habe.

"Maria, Mutter Gottes - verjage Putin!"

Den seit März inhaftierten Sängerinnen Nadeschda Tolokonnikowa, Jekaterina Samuzewitsch und Marina Alechina wird "Rowdytum aus Motiven des religiösen Hasses" vorgeworfen. Den Frauen im Alter zwischen 22 und 29 Jahren drohen bis zu sieben Jahre Straflager. 

Die maskierten Musikerinnen hatten im Februar in der Moskauer Erlöserkathedrale dafür gebetet, dass Russland von dem damaligen Premier und jetzigen Präsidenten Putin erlöst werden möge. Sie hatten unter anderem den Satz "Maria, Mutter Gottes - verjage Putin!" gesungen.

Systemkritik

Die Frauen im Alter zwischen 22 und 29 Jahren wurden am Montag im selben Gerichtssaal vorgeführt, in dem auch die Verhandlung gegen den Putin-Kritiker Michael Chodorkowski stattfand. In dem voll besetzten Saal im Bezirksgericht Chamownitscheski beantworteten die drei angeklagten Frauen zunächst gelassen Fragen nach ihren Namen, Adressen und Geburtsdaten. Ihre Anwältin Violetta Wolkowa verlas darauf handschriftliche Erklärungen der Frauen: Der Auftritt sei "ein verzweifelter Versuch" gewesen, "um das politische System zu ändern", hieß es in der Erklärung Tolokonnikowas in dem live im Internet übertragenen Verfahren.

Gefühle der Gläubigen verletzt

Die in Boxen aus Plexiglas eingesperrten Aktivistinnen erklärten, sie hätten auf die autoritäre und anti-feministische Politik Putins aufmerksam machen wollen. Außerdem wollten sie die enge Verzahnung von Staat und Kirche vor der jüngsten Präsidentenwahl am 4. März kritisieren. Die Staatsanwaltschaft wies Vorwürfe eines politischen Prozesses hingegen strikt zurück. Die von langer Hand geplante Aktion habe die Gefühle der Gläubigen verletzen sollen.

3.000 Seiten Ermittlungsakten

Die Frauen beantragten mehr Zeit, um sich mit den 3.000 Seiten Ermittlungsakten vertraut zu machen. Richterin Marina Syrowa lehnte die Forderung ab, auch den russisch-orthodoxen Patriarchen Kirill als Zeugen vorzuladen. Der Vater von Samuzewitsch, Stanislaw, zeigte sich wenig optimistisch, dass seine Tochter von dem Gericht Milde erwarten könne. "Natürlich werden sie ins Gefängnis geschickt", sagte er. "Das ist ein politischer Prozess."

Internationale Kritik

MenschenrechtlerInnen kritisieren das Verfahren als politischen "Schauprozess" zur Einschüchterung der Opposition. Unterstützer riefen vor dem Gebäude "Freiheit für Pussy Riot". "Das ist politische Vergeltung und Rache", sagte der frühere Vizeregierungschef und Regierungskritiker Boris Nemzow. MenschenrechtlerInnen und andere MusikerInnen wie Sting und die Red Hot Chili Peppers haben sich über den Prozess besorgt gezeigt. Amnesty International forderte die Freilassung der Frauen. Die Musikerinnen hätten ihre politischen Überzeugungen friedlich kundgetan. Die Frauen sind von der Menschenrechtsorganisation als politische Gefangene anerkannt.

Grüne: "Dürfen nicht tatenlos zusehen"

Die österreichischen Grünen Politikerinnen Judith Schwentner und Alev Korun kritisierten unterdessen, dass die österreichische Regierung zu dem Fall Pussy Riot noch keine öffentliche Stellungnahme abgegeben habe. "Hier werden Menschenrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, mit Füßen getreten", sagte Schwentner am Montag in einer Aussendung. "Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie politische Kritik kriminalisiert wird", ergänzte Korun. "Spindelegger muss aktiv werden, Menschenrechte müssen uns wichtiger sein als Wirtschaftsinteressen." (APA, 30.7.2012)