Die Berliner Hütte ist die einzige Alpinhütte unter Denkmalschutz. Wer verschwitzt und müde eintritt, weiß warum.

www.tux.at
www.naturpark-zillertal.at
www.berlinerhütte.at

Foto: Tourismusverband Tux-Finkenberg

Hüttentourgeher im Hochgebirge wissen davon ein Lied zu singen: Man fährt mit dem Auto zum Ausgangspunkt, steigt auf die erste Hütte auf - und kommt Tage später in einem fernen Tal wieder heraus, oder gar in einem anderen Bundesland. Wer nicht ein zweites Auto rechtzeitig abgestellt hat, muss sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln mühsam zum Ausgangspunkt plagen.

Im Naturpark Zillertal stellt sich dieses Problem nicht: Strahlenförmig sind die Seitentäler entlang des Hauptkamms, der Nord- von Südtirol trennt, in einem Halbkreis angeordnet. Wer in Mayrhofen oder Finkenberg wohnt, gelangt mit Auto, Bus oder Seilbahn an einen Aufstiegspunkt, erreicht ein paar Stunden später seine erste Hütte und kommt bis zu sieben Tage später - oder auch viel früher - nicht weit von dort zurück ins Tal.

Das klingt allerdings einfacher, als es ist. Denn der Weg von Hütte von Hütte führt über den Berliner Höhenweg, den vor rund 100 Jahren, als Deutsche die österreichischen Alpen für sich entdeckten, die Großbürger der wilhelminischen Hauptstadt selbstbewusst markiert hatten. Er führt über mehrere Hochgebirgspässe - gut ausgetreten und im Sommer schneefrei, aber bei steilen Anstiegen bis zur 3000-Meter-Marke doch etwas anders als ein Spaziergang Unter den Linden.

Seil und Steigeisen

Bergerfahrene können die Route auch ohne Bergführer begehen, aber wer sich nicht ganz sicher fühlt, sollte professionelle Hilfe in Anspruch nehmen - vor allem wenn man auf die höchsten Gipfel will, die über Gletscherrouten nur mit Seil und Steigeisen erreichbar sind. Wenn man sich dann anschaut, mit welch mickriger Ausrüstung sich manche Wanderer auf den Weg machen, dann verwundert es, dass an den steilen Pfaden nicht mehr passiert.

Unsere eigene Route begann im Bergdorf Ginzling und führte zuerst auf die Greizer Hütte (2227 m), die kleinste und urigste Bergunterkunft in der Region. Der einst gut fünfstündige Aufstieg durch das Floitental lässt sich seit einigen Jahren durch eine holprige Taxifahrt bis auf 1600 Meter Seehöhe stark verkürzen. Der Höhenweg führt über die Mörchenscharte ins nächste Tal, wir wählten hingegen die Gletscherroute zum Schwarzenstein (3335 m) an der österreichisch-italienischen Grenze, dessen Gipfel wir allerdings wegen Nebels und Windes links liegenließen.

Der lange Abstieg endete bei der Berliner Hütte, die auf rund 2000 Metern im Herzen dieser grandiosen Route prangt. Die größte und einzige denkmalgeschützte Berghütte der Alpen ähnelt mit ihrem herrschaftlichen Stiegenhaus und ihren wunderschönen Holztäfelungen eher einem Hotel in den Rocky Mountains als einer typischen Unterkunft des Alpenvereins - und hatte einst sogar ein Postamt. Ein eigener Damenspeisesaal erinnert an die Zeit, als Frauen zwar schon mit Rock und Mieder in die Berge durften, aber nichts an Herrentischen verloren hatten.

Zum Gipfel oder ins Tal

Am nächsten Tag ging es über Gletscher hinauf auf die dritte Hornspitze (3148 m), die von den Kolonialisten aus dem Norden einst in Berliner Spitze umbenannt worden war. Der Höhenweg selbst führt auf steilen Wegen über das eisfreie, aber anspruchsvolle Schönbichler Horn (3234 m) zum Furtschaglhaus; von dort geht es in einer langen Tagestour aufwärts auf den Großen Möseler, mit 3480 Metern der zweithöchste Gipfel des Zillertals, oder - wie wir es taten - auf kurzem Weg hinab zum Schlegeisstausee.

Von dieser Zwischenstation führt eine Route über das Pfitscher Joch auf die Südtiroler Seite, von wo aus sich der höchste Zillertaler Gipfel, der Hochfeiler (3510 m), recht leicht besteigen lässt. Wer auf dem Berliner Höhenweg bleiben will, der marschiert in Richtung Tuxertaler Hauptkamm zur Olpererhütte, besteigt von dort den Olperer (3476 m), dessen prägnanter Gipfel über dem Hintertuxer Gletscherskigebiet thront - und gelangt dann über Friesenberghaus und Gamshütte - mit zahlreichen weiteren Gipfeloptionen nach Finkenberg. Oder aber man lässt die Berge Berge sein und steigt beim Stausee in den öffentlichen Bus, der zurück nach Ginzling und Mayrhofen führt - zum Auto oder direkt ins Hotel. Ein letzter wehmütiger Blick hinauf, und es ist uns klar: Es warten noch viele Gipfel hier im Zillertal. (Eric Frey, Album, DER STANDARD, 4.8.2012)