Christopher Frei: Theoretiker mit Hang zur Topliga.

Foto: privat

Durchschnittliche Leistungen hat Christopher Frei nie geliefert. Schon im Gymnasium spielte er immer und in allen Fächern in der Topliga. Dass er sich dann ausgerechnet für ein Mathematik-Studium entschied, lag letztlich an einem populärwissenschaftlichen Buch, das dem Grazer nach der selbstverständlich mit Auszeichnung bestandenen Matura in die Hände fiel: "Fermats letzter Satz: Die abenteuerliche Geschichte eines mathematischen Rätsels" von Simon Singh.

"Da wurde ich zum ersten Mal mit richtiger Mathematik konfrontiert", erinnert sich der 27-jährige Grazer. "Das hat mich fasziniert, auch wenn ich damals vieles noch nicht verstanden habe." Die Weiche in Richtung Technische Mathematik an der Grazer TU war damit gestellt. "Am Anfang", sagt er, "ist mir das Studium nicht so leicht gefallen. Aber irgendwann ist mir der Knopf aufgegangen, und mein Interesse wurde immer intensiver." Erst da habe er bemerkt, dass er "relativ begabt" sei. Ein nettes Understatement angesichts seiner Sub-auspiciis-Promotion, die er kürzlich feierte.

Womit er sich in seiner Doktorarbeit befasste, ist für mathematisch Unbedarfte nicht ganz einfach zu erklären: "Grundsätzlich geht es dabei um Zahlentheorie", ringt der junge Mathematiker um Allgemeinverständlichkeit. "Insbesondere um Zahlbereiche zwischen den rationalen und komplexen Zahlen - sogenannte algebraische Zahlkörper." Ein wichtiges Ziel der Zahlentheorie sei es, möglichst viele Eigenschaften, die man von den rationalen Zahlen kennt, auch in diesen Zahlkörpern zu erkunden. "Um eine dieser Eigenschaften geht es in meiner Dissertation."

Die Frage nach dem praktischen Nutzen seiner Erkenntnisse ist im Umfeld der reinen Mathematik nicht wirklich zielführend. "Auch die Zahlentheorie selbst hat lange als reinste Form der Mathematik gegolten, weil es kaum Anwendungen gab und die Theorie selbst das Ziel war", erklärt Frei. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts habe sich herausgestellt, dass sich mithilfe zahlentheoretischer Methoden Funktionen konstruieren lassen, die man schnell auswerten, aber nur sehr schwer umkehren kann. "Solche Funktionen bilden mittlerweile das Herzstück vieler kryptografischer Systeme in unserem Alltag", erläutert er. So spielt die Zahlentheorie im Online-Banking und -Shopping oder beim Geldabheben vom Bankomaten eine ebenso zentrale wie für den Nutzer verborgene Rolle.

Und welche Karriereaussichten winken einem Nachwuchsforscher mit Hang zur reinen Lehre? "Es gibt zwar relativ wenige Mathematiker, doch fixe Stellen an Unis sind noch rarer", sagt Frei. Ganz wirkungslos dürften seine Auszeichnungen - darunter ein Preis der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft - aber nicht gewesen sein: Seit letztem Herbst hat er eine Stelle als Assistent an der Ludwig-Maximilians-Uni in München. Das kürzlich zugesicherte Humboldt-Forschungsstipendium wird zudem helfen, einen etwas längeren Verbleib in Bayern finanziell abzusichern. Langfristig würde er am liebsten wieder nach Graz kommen - " falls sich eine fixe Stelle findet".

In seiner Freizeit mutiert der Mathematiker zum leidenschaftlichen Spieler - aber nicht etwa zum Schachspieler, wie das Klischee nahelegt, sondern zum Teilnehmer von Gesellschaftsspielen mit extrahohem Fun-Faktor. (Doris Griesser/DER STANDARD, 8. 8. 2012)