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"Die ÖVP schafft es in genialer Weise, immer dann, auch wenn es ein Skandal anderer Mitbewerber ist, selber im Mittelpunkt zu stehen. Das ist wirklich faszinierend."

Foto: AP/Schaad

Salzburg - Der Salzburger ÖVP-Chef Landeshauptmann-Stellvertreter Wilfried Haslauer glaubt nicht mehr an eine Volksbefragung zum Thema Wehrpflicht: "Das ganze Projekt wird schon daran scheitern, dass man sich in Wien nicht über den Inhalt der Fragestellung einigen kann", sagte er im Interview. Im Zusammenhang mit den aktuellen Korruptionsfällen befürchtet er eine "Politiker-Verdrossenheit", und das Transparenzpaket des Bundes bezeichnete er als "Feigenblatt für eine bessere finanzielle Dotierung" der Parteien auf Bundesebene.

Haslauer zeigte sich überzeugt, dass sich eine Mehrheit für den Erhalt der Wehrpflicht aussprechen würde, weil die Österreicher "immer noch das Gefühl haben - mit der Betonung auf das Wort noch -, dass diese Republik unser Land ist, und nicht das Land von irgendwelchen Funktionären. Wir wollen eine Armee aus der Bevölkerung für die Bevölkerung und keinen Fremdkörper. Man muss aber auch sagen, dass das Bundesheer seine Hausaufgaben zu erfüllen hat. Weil aus meiner Sicht mit der Zeit von jungen Rekruten sehr leichtfertig umgegangen wird, was die Gestaltung des militärischen Alltages betrifft. Auch da besteht enormer Reformbedarf." Ein Aus für die Wehrpflicht bezeichnete Haslauer "verantwortungslos", weil damit der Freiwilligkeit - etwa beim Roten Kreuz - ein schwerer Schlag versetzt werde.

"Zurück zu den alten bürgerlichen Werten"

Die Vorfälle in Kärnten seien ein "Produkt einer politischen Mentalität, die sich da offensichtlich entwickelt hat, nach dem Motto was kostet die Welt, mit unterschiedlichen Selbstbedienungsqualitäten. Wenn der eine Landeshauptmann-Stellvertreter zurücktritt, mit großem Pomp, und sich von seinem Bruder ersetzen lässt, dann ist das genauso grotesk wie die Politik vom Herrn Wurmitzer, der die Hälfte seiner Mandate verliert und jetzt versucht, sein Renommee wieder zurückzuerobern. Es ist widerlich insgesamt." Kärnten ist für Haslauer aber nur eine "Facette, die dazugekommen ist (zu den anderen Korruptionsfällen in der Bundespolitik), die sozusagen das übervolle Fass einmal mehr zum Überlaufen bringt."

Für Haslauer erleidet durch all die Vorfälle die Politik und das Ansehen der Politiker insgesamt Schaden. "Politisch Tätige werden in einen Topf geworfen, nach dem Motto: Alles das gleiche G'sindl. Das hat schon langfristige Auswirkungen." So werde aus Politikverdrossenheit eine Politiker-Verdrossenheit und eine Systemkritik, "dass auf einmal Teile der Bevölkerung, und es werden leider immer mehr, das demokratische System infrage stellen." Die einzige Antwort heiße: "Zurück zu den alten bürgerlichen Werten, die man völlig fälschlicherweise als verstaubt angesehen hat: Ehrlichkeit, Anständigkeit, Höflichkeit, Fleiß, Uneigennützigkeit, Solidarität." Dass der Bund das als Reaktion beschlossene Transparenzpaket mit einer Erhöhung der Parteienförderung verbunden habe, "macht die Leute wirklich ärgerlich".

"Das ist wirklich faszinierend"

Ob auch die ÖVP noch Leichen im Keller habe, wisse er nicht. "Die ÖVP schafft es in genialer Weise, immer dann, auch wenn es ein Skandal anderer Mitbewerber ist, selber im Mittelpunkt zu stehen. Das ist wirklich faszinierend. Uns werden natürlich auch Leute zugerechnet, die eigentlich in der Partei überhaupt keine Rolle oder Funktion haben, wie Mensdorff-Pouilly. Aber wir haben natürlich schon einige Fälle, die uns auch sehr, sehr geschadet haben. Ernst Strasser und natürlich auch Josef Martinz", sagte Haslauer.

Unter den unerledigten großen Reformen hält der Salzburger ÖVP-Chef eine Neudefinition der Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden für am wichtigsten. Die Länder müssten etwas abgeben, und der Bund auch. Er sehe in diesem Bereich allerdings keine Bereitschaft, in konstruktive Gespräche einzutreten. "Das ist ein Thema, mit dem kann man keine Wählerstimmen gewinnen. Daher ist es auf der Agenda schon automatisch zurückgerutscht. Und das ist ein Fehler, denn nicht alles, was populär oder interessemäßig präsent ist, ist auch wichtig." (APA, 8.8.2012)