Eigene Verhandlungen und Kollektivvertragsabschlüsse für einzelne Verbände; Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse einer extrem heterogenen Branche; kleine familiengeführte Betriebe nicht länger im gleichen Topf mit internationalen Konzernen: Was die Arbeitgeber der Metaller für die Herbstlohnrunde fordern, hört sich vernünftig an. Vor allem für viele Unternehmer. Für ihre Beschäftigten birgt die Aufsplittung der jahrzehntelangen gemeinsamen Gehaltsverhandlungen aber enorme Risiken.

Lohnerhöhungen, die ein lukrativer Stahlriese praktisch aus der Portokasse zahlt, können einem Mittelständler, der gegen Billigkonkurrenz aus China kämpft und sich seine Mitarbeiter hierzulande schon bisher kaum leisten kann, fast das Genick brechen. Keine Frage, hier über einen Kamm zu scheren ist unklug. Doch die Folgen einer starken Dezentralisierung der Gehaltsrunden haben es mittelfristig und gesamtwirtschaftlich gesehen weitaus mehr in sich.

Schon jetzt driften Einkommen und Kaufkraft der Österreicher auseinander. Allein unter den Metallern tun sich tiefe Kluften auf. Denn ein kleiner Verarbeiter muss einen größeren Anteil der Gesamtkosten für Personal aufwenden als hochautomatisierte Stahlerzeuger. Dienstleister sind noch personalintensiver. Nicht selten fehlen Betriebsräte, und ihre Produktivität ist so begrenzt steigerbar, wie es ihre Gehälter sind. Zerbröselt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaft, sind ihre Mitarbeiter die Verlierer. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 9.8.2012)