Graz - Das schreibenden GästInnen vorbehaltene Cerrini-Schlössl am Grazer Schlossberg hat eine neue Bewohnerin: Die 45-jährige Türkin Asli Erdogan ist dort am Freitag als neue Asylschreiberin eingezogen, wie das Büro des Kulturstadtrats Michael Grossmann (SPÖ) mitteilte. Erdogan engagierte sich in ihrer Heimat journalistisch für die kurdische Minderheit und politisch Inhaftierte sowie für Frauenrechte und war deshalb auch Repressalien ausgesetzt.

Erdogan wuchs in Istanbul auf und studierte dort Atomphysik. Sie forschte am Kernforschungsinstitut CERN in Genf und in Rio de Janeiro und begann in Südamerika, Bücher zu schreiben. Mitte der 1990er Jahre kehrte sie in ihre Heimat zurück, wo aber die Regierung aufgrund ihrer journalistischen Tätigkeit zunehmend Druck auf sie ausübte. "Die Angst, nachts verhaftet zu werden, war mein ständiger Begleiter", so Asli Erdogan. Durch ein Stipendium in der Schweiz fand die Schriftstellerin vorübergehend eine Bleibe in Zürich, bis die Stadt Graz ihr die Stelle als Asylschreiberin anbot.

"Nachtzug nach Graz"

Das Cerrini-Schlössl teilt sich Erdogan mit der Stadtschreiberin Barbara Markovic und dem Literaturstipendiaten Nikola Madzirov. Anders als die beiden MitbewohnerInnen muss Erdogan während ihres voraussichtlich einjährigen Aufenthalts in Graz nichts veröffentlichen, wie es aus dem Büro des Kulturstadtrats hieß. Zwei Romane von Erdogan sind schon auf Deutsch erschienen, am Schlossberg will die Literatin an einem neuen autobiografisch beeinflussten Buch schreiben, Arbeitstitel: "Nachtzug nach Graz".

Seit die Stadt Graz 1997 das Projekt "Asylschreiber" initiiert hat, gab es GästInnen aus den verschiedensten Ländern - von Kuba über Usbekistan bis Bangladesch. Getragen wird die Initiative von der Stadt zusammen mit der Kulturvermittlung Steiermark und dem Internationalen Haus der Autorinnen und Autoren. (APA, 10.8.2012)