Wien - In Österreich wird die Einführung des Biosprits E10 wohl noch einige Zeit auf sich warten lassen. Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) hat momentan keine Chance auf Umsetzung seines Plans, bereits ab Oktober den Anteil an Bioethanol im Sprit von fünf auf zehn Prozent zu erhöhen.

Einen Entwurf für eine entsprechende Verordnung hat er zwar bereits im Herbst 2010 ausgeschickt, allerdings braucht er für die Umsetzung die Zustimmung der SP-Minister Doris Bures (Verkehr) und Alois Stöger (Gesundheit) sowie von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (VP).

Besonders kritisch steht die SPÖ den Plänen gegenüber - auch schon vor der aktuellen Getreideknappheit. Bures sieht "noch viele offene Fragen". Im Büro des Gesundheitsministers hieß es am Freitag auf Anfrage des Standard: "Essen gehört auf den Teller, nicht in den Tank."

Unter diesem Slogan hat auch die Arbeiterkammer (AK) ihre Skepsis deponiert. Sie warnt vor Mehrkosten für die Autofahrer. Da E10 eine wesentlich geringere Energiedichte habe, brauche man mehr Sprit. Pro Jahr sei österreichweit mit Zusatzkosten von rund 50 Millionen Euro zu rechnen.

Ziel auch anders erreichbar

Das EU-Ziel für das Jahr 2020, zehn Prozent des Energiebedarfs im Verkehr durch Erneuerbare abzudecken, sei auch anders erreichbar: nämlich durch den Ausbau der Elektromobilität und des öffentlichen Verkehrs.

Außerdem reißt die Kritik an der ökologischen Sinnhaftigkeit von Treibstoff aus biologisch abbaubaren Stoffen (Mais, Zuckerrüben, Raps, Soja) nicht ab. Erst vor wenigen Tagen kamen Experten der deutschen Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zu dem Schluss, dass Bioenergie "heute und in Zukunft keinen quantitativ wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten kann". Zudem konkurriere Bioenergie potenziell mit der Herstellung von Nahrungsmitteln.

Für Österreich sieht das Berlakovich anders. Es stünden genug Flächen zur Verfügung, heißt es in seinem Büro. Bei der Agrana, die das einzige Bioethanolwerk in Österreich betreibt, wird ebenfalls betont, man habe kein Problem, die 600.000 Tonnen Mais und Getreide, die im Jahr verarbeitet werden, aufzustellen. Auch bei einem Umstieg auf E10 gebe es kein Problem, man könne den österreichischen Markt voll beliefern. Dann werde halt weniger exportiert. Der Präsident der Agrarmarkt Austria, Stefan Hautzinger, meinte zuletzt allerdings, E10 sei "nicht mit einer rein österreichischen Produktion umsetzbar".

Die Mineralölwirtschaft plädiert jedenfalls angesichts der Unklarheiten für eine Verschiebung der E10-Einführung um zwei Jahre. Tankstellen müssten umgerüstet, neue Verträge geschlossen werden, sagt Branchenvertreter Reinhard Thayer. Starten könne man auf rein freiwilliger Basis, so sein Vorschlag. (Günther Oswald, Johanna Ruzicka, 11.8.2012)