Seien wir ehrlich: Wer ist noch nie hinter dem Steuer eines Autos so richtig unfein ausgezuckt? Wer hat noch nie seinen jeweiligen Straßenverkehrskontrahenten, geschützt durch eine Windschutzscheibe und viele PS, die das Entkommen erleichtern, alles geheißen, was die gute Kinderstube verbietet? Eben.

Und nun stelle man sich dieselbe Entgleisung vom Fahrrad aus vor. Das ist, ungeschützt, von Angesicht zu Angesicht, bedeutend schwieriger. Aus diesem Grund ist die große Mehrheit der radfahrenden Menschheit friedlich. Und vorsichtig, das belegen die Unfallstatistiken. Trotzdem erfindet man bürokratische Hürden. Wider besseres Wissen, denn Velo-Nummerntaferln sind, wie man von der Schweiz weiß, aufwändig, teuer und eine sicherheitspolitische Themenverfehlung. Die Polizei fand nicht mehr gestohlene Fahrräder als zuvor, und mit der Vignette eine Versicherung einzuführen, freut nicht einmal die Versicherer selbst: geringe Prämie, viel Verwaltungsaufwand.

Es spricht also mehr gegen als für ein Fahrrad-Nummerntaferl. Trotzdem bleiben Boulevard und Politik, sommerlich erhitzt, am Thema dran. Ist ja auch einfacher, als an den Kern der Sache zu gehen: Mehr Sicherheit und weniger Konflikte bedeutet größere, breitere Fahrradwege, mehr Übersicht für alle. Und das bedeutet: weniger Parkplätze, weniger Platz für Autos. Und über diese heilige Kuh traut sich dann niemand mehr, nicht einmal im Sommer. (DER STANDARD, 14./15.8.2012)