"Haider hat einen Haufen Ja-Sager und ehrgeiziger, eitler Mitläufer um sich geschart."

Foto: derstandard.at

"Auf eine große Demonstration kommen zwar um die 2.000 Leute, und ich möchte das nicht schmälern, aber bei dem Ausmaß dieses Politskandals müssten es einfach viel mehr Menschen sein, die ihren Unmut zeigen."

Foto: derstandard.at

Sein Künstlername ist Fuzzman, im echten Leben heißt er Herwig Zamernik. Der Musiker lebt seit seinem sechsten Lebensjahr in Kärnten. Oft wird Zamernik gefragt, wie er es hier noch aushält. Seine Antwort: "Ich sehe nicht ein, warum man mitten in Europa politischer Flüchtling sein sollte."

Gegen die Zustände in Kärnten will er trotzdem was unternehmen. In den vergangenen Tagen und Wochen hat er Flashmobs organisiert, um sich zu "deklarieren". Wieso er im nächsten halben Jahr mit einer Steuerprüfung rechnet und warum er die nach Haider übriggebliebene FPK-Mannschaft als "Haufen brunftiger Rowdies" bezeichnet, sagt Zamernik im Interview mit derStandard.at.

derStandard.at: In einem Interview haben Sie gesagt, es ärgert Sie, wenn zu einer Demo in Klagenfurt nur 150 Leute kommen. Warum gehen nicht mehr Kärntner hin?

Zamernik: Viele trauen sich nicht. Das klingt absurd in einem Rechtsstaat wie Österreich, aber es gibt zum Beispiel Ärzte, die sagen, dass sie sich in ihrer Position nicht hinauslehnen können, zu viele würden sich um ihren Job anstellen. Wenn man in einem Amt arbeitet, kann es passieren, dass man Ärger bekommt. Für Selbständige wie mich gibt's da die erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Steuerprüfung. Es ist einfach generell besser sich nicht zu deklarieren, nicht einer von den "elenden linken Lichterlträgern" zu sein, wie ein höhnender Kurt Scheuch alle nennt, die es doch tun. Und ich als einer der Verhöhnten ärgere mich darüber, dass nicht 10.000 auf der Straße stehen und dem Hohn ein Ende bereiten. Und die, die einfach zu bequem sind und gar nichts tun, die ärgern mich noch mehr, auch die gibt es, keine Frage.

derStandard.at: Warum fürchten Sie sich vor einer Steuerprüfung?

Zamernik: Ich fürchte mich nicht vor einer Steuerprüfung, weil ich nichts zu befürchten habe. Ich bin ein wahrlich kleiner Fisch, aber nachdem man mich nicht kündigen, mir keine Förderungen streichen, keine Aufträge wegnehmen und mich auch sonst nicht für mein deklariertes Abstand halten sanktionieren kann, wäre das das einzige, wo man meinen könnte, dass man mir schaden kann. Kann man aber nicht. I'm a free man.

derStandard.at: Hat sich irgendwas geändert nach Bekanntwerden der neuerlichen Vorwürfe?

Zamernik: Nein, nicht im Wesentlichen. Auf eine große Demonstration kommen dann zwar um die 2.000 Leute, und ich möchte das nicht schmälern, aber bei dem Ausmaß dieses Politskandals müssten es einfach viel mehr Menschen sein, die ihren Unmut zeigen. Ich fand es außerdem eher unglücklich, das ganze unter dem Banner "Für ein sauberes Kärnten" laufen zu lassen, weil das schlichtweg die Sprache der Rechten ist.

derStandard.at: Vor zwei Wochen haben Sie und andere Künstler vor dem Lindwurm protestiert. Wie ist die Idee für den Flashmob zustande gekommen? 

Zamernik: Ich muss dazu sagen, dass ich nie ein großer Demonstrant war, und ich sehe mich auch heute nicht als solcher. Ein Flashmob ist einfach etwas sehr Direktes und im Gegensatz zu einer Demonstration ist er auch künstlerisch interessant. Aber der direkte Impuls kam, als ich bei genau diesen "elenden Lichterlträgern" stand, die der eine von den Schottergrubengrafen verhöhnte. Ein sichtlich aufgebrachter Peter Kaiser (SPÖ-Vorsitzender in Kärnten, Anm.) bat uns, weiter hinten unser Geschäft zu verrichten, weil die FPKler sonst die kurzerhand erfundene Demonstrationsbannmeile als Grund für die Nichtteilnahme an der Sitzung nehmen würden, in der es um Neuwahlen ging.

Ich dachte an meinen Protestsong und an die Zeile: "Ich halte Abstand von euch Kreaturen, die ihr ein ganzes Land verarscht und bestehlt." So kam es zum Flashmob. Und weil meine engsten Freunde, Mitkünstler und Musikanten genauso wie ich das dringende Bedürfnis hatten, sich zu deklarieren und unsere bescheidene Bekanntheit dafür zu nutzen, dass ein paar andere das auch tun. Es gab am vergangenen Freitag wieder eine Aktion, und es wird auch nicht die letzte gewesen sein.

derStandard.at: Wie ist Ihr Protestlied "Haltet Abstand" entstanden?

Zamernik: So wie bei mir immer etwas entsteht. Irgendetwas berührt, beschäftigt, quält, freut oder ärgert mich so sehr, dass auf einmal ein Lied da ist. In diesem Fall habe ich mich geärgert.

derStandard.at: Was genau ärgert Sie?

Zamernik: Dass das Land, in dem ich lebe von solariumgebräunten Schurken regiert, geplündert und versaut wird. Dass ich mir regelmäßig überlegen muss, ob es nicht viel gescheiter wäre, woanders zu leben, wo man sich nicht mit solchem Unsinn befassen muss. Dass ich mir in jedem Interview, egal ob im In- oder Ausland, die Frage stellen lassen muss, wie man es hier aushält und ob es nicht woanders leichter wäre. Dass ich darauf nichts Vernünftigeres sagen kann, als dass es ein wunderschöner Flecken Erde ist und dass es viele Menschen hier gibt, die mir sehr wichtig sind und ich einfach nicht einsehe, warum man mitten in Europa politischer Flüchtling sein sollte.

derStandard.at: Haben Sie Hoffnung, dass es besser wird?

Zamernik: Nein, eigentlich nicht. Das politische Interesse der meisten Menschen ist genauso groß wie das Interesse an Kunst und Kultur. So wie sie Musik konsumieren, konsumieren sie auch Politik, es läuft irgendwo im Hintergrund. Deswegen kann man vielen auch keinen Vorwurf machen. Den Proporz haben schon die Roten seinerzeit solange praktiziert, bis ein gewiefter Haider daherkam und den Menschen weismachte, dass er damit aufräumen würde. Ich glaube nicht, dass nur einer seiner Wähler gedacht hätte, dass Jahre später mafiaähnliche Zustände den guten alten Proporz ersetzen würden. 

derStandard.at: Haben Sie Jörg Haider einmal live erlebt?

Zamernik: Wer in Kärnten hat das nicht?

derStandard.at: Haben Sie ihn einmal getroffen?

Zamernik: Nein, warum sollte ich? Es gab zwar die eine oder andere Theaterproduktion, an der ich mitwirkte, wo auch ein Herr Haider bei Premieren anwesend war, ich konnte aber einen direkten Kontakt dezent und unauffällig vermeiden. Im Gegensatz zu einem Dobernig, Scheuch oder Dörfler (alle FPK, Anm.) wusste er aber genau, wer die Kulturschaffenden im Land sind und wer was macht.

derStandard.at: Es heißt ja, Haider habe jedem Kärntner die Hand geschüttelt.

Zamernik: Mir nicht.

derStandard.at: Haben Sie das Gefühl, dass es in Kärnten anders läuft als in anderen Bundesländern?

Zamernik: Offensichtlich, oder?

derStandard.at: Woran liegt das?

Zamernik: Das weiß ich nicht, ich bin kein Politiker, ich bin Künstler. Woran liegt es Ihrer Meinung nach?

derStandard.at: Die Wurzeln liegen im "System Haider". Aber Haider lebt nicht mehr.

Zamernik: Ja, Haider war ein talentierter Politiker, leider aber von der falschen Gesinnung. Er hat einen Haufen Ja-Sager und ehrgeiziger, eitler Mitläufer um sich geschart. Einer hat nach seinem Tod zuerst orientierungslos geweint, um kurz darauf "wir passen auf dein Kärnten auf" zu schreien. Jeder wollte so sein wie der Jörg, sie haben die gleichen Hemden gekauft, sie tragen die gleiche Frisur, sie versuchen immer noch so zu sprechen wie er. Ein Schiff mit einem toten Kapitän und einem Haufen brunftiger Rowdies drauf, wo jeder schaut, dass er sich so viel schnappt wie möglich. 

derStandard.at: Gibt es die Hoffnung, dass das irgendwann Geschichte ist?

Zamernik: Irgendwann ist alles vorbei. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Aber es sieht nicht so schlecht aus, dass sie sich diesmal selbst demontieren, ein paar Unschuldsvermutungen gehen schon noch. Gleichzeitig hat man das aber auch schon öfters gedacht, und dann waren sie auf einmal wieder da.

derStandard.at: Wie bei der letzten Landtagswahl 2009.

Zamernik: 44 Prozent, da braucht man nicht mehr viel zu sagen. Das ist echt absurd. Aber man muss auch sagen, dass viele 2009 noch Haider gewählt haben.

Und zum Abschluss eine riesengroße Unschuldsvermutung unter und über alles, was ich jemals gesagt, geschrieben oder gedacht habe.

Vielen Dank für das Gespräch. Wählt Fuzzman! (Marie-Theres Egyed, Rosa Winkler-Hermaden aus Klagenfurt, derStandard.at, 15.8.2012)