Moskau/Wien - Der Wiener Wirtschaftsanwalt Erich Rebasso wurde von seinen beiden mutmaßlichen Entführern schon einige Tage vor der Tat am 27. Juli ausgespäht. Davon geht die Polizei nach der Festnahme von zwei Männern im Alter zwischen 30 und 40 Jahren am Dienstagabend in Moskau mittlerweile aus. Denn das Duo war schon vor dem Kidnapping nach Wien gekommen.

Mutmaßliche Täter sind Opfer eines Anlagebetruges

Die beiden mutmaßlichen Täter, die aus derselben Ortschaft stammen, sind Opfer eines Anlagebetruges - angeblich einer Art Pyramidenspiel -, bei dem rund 20 Geschädigte zwischen je 40.000 und 60.000 Euro verloren haben.

Die Verbindung zu Rebasso: Sein Name tauchte im Zusammenhang mit dem Betrug auf. Nach seiner Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wurde dort allerdings festgestellt, dass sein Name missbräuchlich verwendet worden ist.

Eine Tatsache, von der aber offenbar nicht alle Opfer überzeugt waren. Gingen doch mehrere Forderungs- und Drohschreiben in der Kanzlei des Wirtschaftsanwaltes, der vor allem Klienten in Osteuropa hat, ein.

Mietauto mit echten Namen angemietet

Auch die Namen der beiden nun Festgenommenen fanden sich darunter. Da die beiden in Wien auch ein Mietauto unter ihren echten Namen angemietet hatten, konzentrierten sich die Ermittlungen des Landeskriminalamtes Wien (LKA) und des Bundeskriminalamtes (BK) bald auf sie. Schließlich gab es auch DNA- und andere Spuren, die sie unter schweren Verdacht stellten.

Seit einer Woche waren zwei BK- und ein LKA-Beamter in Moskau und unterstützten die russische Exekutive. Das Duo wurde unter Beobachtung gestellt, seine Telefone abgehört, um auf die Spur von möglichen Mittätern zu kommen oder Hinweise zu erhalten, wo sich das Opfer aufhält.

Ergebnislos. Da man nicht mehr länger zuwarten wollte, erfolgte schließlich der Zugriff durch die Sicherheitskräfte. Bei der ersten Einvernahme in der Nacht auf Mittwoch durch die russische Polizei ergaben sich noch keine Hinweise, wo der Entführte ist. Da das Duo auch keine Lösegeldforderung stellte - eine eingegangene wird einem Trittbrettfahrer zugeschrieben -, schließen Beamte mittlerweile aber das Schlimmste nicht mehr aus.

Was in der Tiefgarage am Georg-Coch-Platz in der Wiener Innenstadt, wo sich am 27. Juli die Spur des 48-Jährigen verlor, ereignete, ist ebenso noch Gegenstand von Spekulationen. Sicher ist, dass die Verdächtigen mit ihrem Mietauto dort waren und es zu einer Auseinandersetzung gekommen ist, da Blutspuren des Anwalts sowohl in seinem eigenem Wagen als auch in dem Mietauto gefunden worden sind.

Gezielter Anschlag unwahrscheinlich

An einen gezielten Anschlag durch das organisierte Verbrechen glaubt allerdings niemand mehr. Viel eher scheint wahrscheinlich, dass die mutmaßlichen Täter von dem Anwalt zunächst ihr Geld zurückforderten. Dann kam es möglicherweise zu einem Streit, in dessen Verlauf das Opfer zumindest verletzt oder gar getötet wurde. Ob der Anwalt eine Waffe besaß, ist offen.

Auffällig ist, dass die beiden Russen nicht nur mit ihrem eigenen Auto, sondern auch mit dem des Anwalts, das später auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums gefunden wurde, aus der Garage fuhren.

Wo das Duo während seines Aufenthaltes in Wien übernachtete, konnte bisher nicht festgestellt werden. Völlig offen ist auch noch, ob die beiden Männer überhaupt an Österreich ausgeliefert würden oder in Russland vor Gericht kämen. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 16.8.2012)