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Das Spiel heißt "Bullshit-Bingo Alpbach-Style". Die Regeln sind einfach. Fällt das Wort "Jugend", etwa von einem älteren Herren auf dem Podium, wird das passende Schild hochgehalten

Foto: APA/Gindl

Alpbach - "Nach mir die Sintflut", so beschrieb Bernhard Heinzlmaier, Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung, die Lebenseinstellung der heute unter 30-Jährigen in Alpbach. Das Forum stand heuer unter dem Generalthema "Erwartungen - die Zukunft der Jugend" . Und die denke vor allem zuerst an sich selbst, am Werk sei der " pragmatische Individualismus", erklärte Heinzlmaier am Mittwoch im Liechtenstein-Hajek-Saal im Kongresszentrum. Das Nützlichkeitsdenken beginne bereits in Bildungseinrichtungen wie Unis oder Fachhochschulen.

Weiter den Berg hinunter, im Gasthaus Jakober, analysierten ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf und Staatssekretär Sebastian Kurz zusammen mit Funktionären der Jungen Volkspartei, ob Politiker zu sein "Beruf oder Berufung" sei. Einig war man sich nur, dass beides möglich sei. Vor dem Einstieg in die Politik auch eine Vision zu haben sei aber zumindest hilfreich. Kritik ernteten die Regierungsmitglieder bezüglich der Rekrutierung von Ernst Strasser. Während einem Jungfunktionär schon 2009 " klar war, was das für einer ist", erklärte Kopf, er habe sich in der Person des ehemaligen Innenministers und EU-Abgeordneten Strasser, der wegen Bestechlichkeit angeklagt ist, schlicht geirrt. Grund für einen Austritt aus der ÖVP sind die Korruptionsskandale für die Jungfunktionäre nicht, sie wollen jetzt erst recht weiterarbeiten für die Partei.

"Blinder Fleiß"

Zeitgleich konstatierte Jugendforscher Heinzlmaier "verbissenen und blinden Fleiß" statt kritischer Selbstreflexion und Autonomiestrebens. Junge vernetzten sich mit jenen, die dem Erreichen der persönlichen Ziele dienlich seien. "Kraftreserven werden vom Kampf um den eigenen Vorteil aufgebraucht und bleiben so dem Gemeinwesen vorenthalten", sagte der Jugendforscher.

Durchaus revolutionär ging es parallel in der Abschlussveranstaltung zum Alpbacher Jugendthema im Erwin-Schrödinger-Saal zur Sache. Bei der Podiumsdiskussion zu den sogenannten "Perspektiven" murrten die jugendlichen Besucher so lautstark über die reifere Zusammensetzung des Podiums, dass Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl (ÖVP) hinunter ins Auditorium stieg und seinen Sessel einer jugendlichen Aktivistin überließ.

Wegen des Generalthemas "Jugend" überraschte es doch, dass beim Abschluss der Gespräche neben Leitl noch die Minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Nikolaus Berlakovich (ÖVP) und Reinhold Mitterlehner (ÖVP) das Podium bildeten. Die Initiative IG Wien beantwortete das lakonisch mit einem Flugblatt "Forever young" - Durchschnittsalter der Bevölkerung 41, 8 Jahre, jenes des Podiums 57,4 Jahre. Bevölkerung unter 30: 33,3 Prozent, auf dem Podium null Prozent.

Verständnis für die Jugend zeigte Forscher Heinzelmaier einen Saal weiter: Es sei keine leichte Zeit. Die Jugend klammere sich verbissen an die eigenen Träume. Die gesellschaftlichen Bedingungen würden aber negativ eingeschätzt. Der eigene Nutzen stehe im Vordergrund. Dieser " pragmatische Individualismus" sei eine der Triebfedern für die weltweiten Protestbewegungen. Das passiere, wenn gut ausgebildete, angepasste Jugendliche plötzlich merken, dass sie dafür keine Belohnung erhalten: Sie protestieren.

Zumindest für eine gewisse Zeit wurde im Schrödinger-Saal protestiert: Dort kühlten die Gemüter wieder ab, ein männlicher Aktivist durfte noch auf die Bühne, um für die Jugend zu sprechen, und am Schluss waren sich alle einig, dass der Verlauf der Debatte ja doch ganz okay gewesen sei. (Verena Langegger, DER STANDARD, 23.8.2012)