Wenn US-Ratingagenturen wegen Fehleinschätzungen hohe Schadenersatzansprüche drohen, dann freut das all jene Europäer, die den amerikanischen Riesen und ihren Negativbewertungen der Schuldnerstaaten die Mitschuld an der Eurokrise geben. Tatsächlich haben Standard & Poor' s, Moody's und Fitch vor der Finanzkrise durch die viel zu positive Beurteilung von US-Immobilienkrediten in ihrer Kernaufgabe, der Bewertung von Anlegerrisiken, versagt und so Milliardenschäden mitverursacht. Verbunden war dies mit groben Interessenkonflikten. Ob sie dafür geradestehen müssen, sollen die US-Gerichte entscheiden, aber verdienen würden sie es.

Allerdings hat das nichts mit ihrer Rolle in der Eurokrise zu tun. Hier geht es ja nicht darum, dass Risiken aus Eigennutz unterschätzt werden, sondern darum, dass unangenehme Realitäten über negative Ratings offen ausgesprochen werden - aus Sicht der Betroffenen zu offen. Doch ist dies genau die Aufgabe der Agenturen, der sie diesmal wirklich gerecht werden. Zwar könnte man ihnen vorwerfen, dass sie in früheren Jahren mit Griechenland, Spanien & Co zu milde umgegangen sind, doch hätten Herabstufungen damals ähnliche Empörung ausgelöst wie heute.

Mehr Ehrlichkeit bei Subprime-Papieren und manchen US-Banken wäre vor 2008 wünschenswert gewesen. Heute muss man daher froh sein, wenn die Ratingagenturen diesen Fehler bei Staatsanleihen nicht wiederholen. (Eric Frey, DER STANDARD, 23.8.2012)