Das Zinshaus in der Mühlfeldgasse 12 in Wien-Leopoldstadt. In der ehemaligen Pizzeria haben sich Vertreter der "Pankahyttn" breitgemacht.

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Josef Iraschko, Mietrechtsexperte und KPÖ-Bezirksrat in der Leopoldstadt, unterstützt die Bewohner, die ...

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... auf Transparenten klarmachen, dass sie nicht vorhaben, freiwillig wieder zu gehen.

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Das Zinshaus in der Brigittagasse 14: Auch hier klagen Mieter über Schikanen.

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Da waren's nur noch zwei: Das Zinshaus in der Mühlfeldgasse 12 in Wien-Leopoldstadt, dessen Mieter sich gegen die "Bestandfreimachung" wehren (derStandard.at berichtete), hat nur noch zwei Bewohner mit Altmietverträgen. Einer der drei verbliebenen Mieter gab dieser Tage seinen Auszug bekannt.

Die Punks, die der Hauseigentümer – die Castella GmbH – seit vergangenem Herbst gratis im Haus wohnen lässt, sind zwar immer noch dort. Gegen sie wurde aber mittlerweile eine Delogierungsklage bei Gericht eingebracht, wie der Geschäftsführer der Castella GmbH im Gespräch mit derStandard.at bestätigt. Der befristete Mietvertrag lief schon im Juni ab.

Hausbesetzung oder doch nicht?

Die Punks sollten die letzten verbliebenen Hausbewohner eigentlich vertreiben. Anfangs kam es auch tatsächlich zu Reibereien zwischen den alten und den neuen Bewohnern, die sich hauptsächlich in einer leerstehenden ehemaligen Pizzeria im Erdgeschoß aufhalten und das eine oder andere Mal mächtig über die Stränge geschlagen haben sollen. Die Störenfriede wurden aber von den Vernünftigeren von ihresgleichen aus dem Haus geworfen, in der Folge kam es zu einer Art Bündnis von Alt- und Neumietern gegen den Hauseigentümer.

Für diesen sind die Bewohner mittlerweile klassische "Hausbesetzer". Mieterschützer bezweifeln das aber; schließlich habe der Geschäftsführer die neuen Bewohner ganz offenbar selbst ins Haus gelassen, argumentiert etwa der Geschäftsführer des Wiener Mieterschutzverbands, Wolfgang Kirnbauer. Die Punks wollen jedenfalls weiterhin nicht ausziehen, demnächst wird es einen Gerichtstermin geben. Dieser dürfte spannend werden.

Delogierungsklagen und Bestechungsversuche

Die Castella GmbH ist mittlerweile in Mieterschützer-Kreisen gut bekannt. Sie hat nicht nur das Haus in der Mühlfeldgasse 12 gekauft, um es "bestandfrei zu machen", wie das im nüchternen Immobilien-Jargon genannt wird. Auch von einem Zinshaus in der Märzstraße im 15. Bezirk wird Ähnliches berichtet, ebenso von einem Gebäude in der Siebenbrunnengasse in Margareten (5. Bezirk).

Und auch im 20. Bezirk hat ein Schwester-Unternehmen der Castella GmbH ein Zinshaus erworben und soll nun versuchen, die verbliebenen Mieter aus dem Haus zu drängen. Einer von ihnen ist der ehemalige Journalist Alexander Moser, der seit 1977 in der Brigittagasse 14 seinen Wohnsitz hat. "Im Jänner 2012 haben die Probleme angefangen, sozusagen schleichend", erinnert er sich im Gespräch mit derStandard.at. Mit Kleinigkeiten fing es an; erst wurde das Schloss zum Dachboden ausgetauscht, so dass die Mieter keinen Zutritt mehr hatten. Dann wurden kaputte Lampen nicht mehr getauscht, und das Haus "vermüllte" zusehends, sagt Moser. Dann bekamen die Bewohner plötzlich Delogierungsklagen zugestellt – "einer nach dem anderen".

Viele dieser Klagen sind noch gerichtsanhängig, auch die gegen Moser. Die Vorwürfe darin – etwa jener, dass er sich gegenüber Mitbewohnern "ungebührlich verhalten" haben soll – hält er jedenfalls für "frei erfunden" und "haarsträubend". Weitaus realer seien da schon die Besuche des Eigentümers nach 22 Uhr gewesen, um mit ihm, Moser, über eine mögliche finanzielle Ablöse zu verhandeln. 2.000 Euro seien ihm geboten worden – "mein Gebietsbetreuer hat sich halb totgelacht, als ich ihm davon erzählte", sagt Moser.

Plötzlich laufen nachts alle Duschen im Haus

Alle diese Vorgänge sowie die – legalen – Bestechungsversuche erinnern den Mieterschützer Kirnbauer frappant an die "wilden" frühen 90er Jahre. Damals kam es vor allem wegen der Expo-Hysterie in Wien zu Spekulanten-Auswüchsen von ungeahntem Ausmaß. "1995/96 hat sich das dann wieder aufgehört. Dann war lange Zeit Ruhe."

Bis vor eineinhalb Jahren. Seither häufen sich diesbezügliche Klagen von Mitgliedern wieder, so Kirnbauer. In der Mühlfeldgasse 12 vertritt er selbst zwei Mieter. Deren – gerichtsanhängige – Delogierungsklagen seien ebenfalls gespickt mit mutmaßlich "erfundenen Gründen", er habe den Eindruck, dass hier sozusagen völlig willkürlich die im Mietrechtsgesetz aufgezählten Gründe für eine Delogierung eingetragen worden seien.

Von Mieter-Schikanen weiß er auch viel zu berichten. Etwa, dass eines Nachts plötzlich sämtliche Duschen im Haus aufgedreht wurden. Oder dass zwei Mieter seit Mai keine Schlüssel für ihre neuen Postkästen hätten, die damals getauscht wurden. Die Hausverwaltung "Pro Ventus", die für Letzteres eindeutig zuständig wäre, verhalte sich passiv und habe nicht einmal ihm, Kirnbauer, auf seine Vorhaltungen geantwortet.

Hausverwaltung: "Wir beißen nicht"

Geschäftsführer Stefan Langhammer stellt diese Vorwürfe im Gespräch mit derStandard.at allerdings entschieden in Abrede. Man habe den Mietern eine Woche vorher unmissverständlich mitgeteilt, wann die Schlüssel für die neuen Postfächer kommen würden. "Der Termin war angekündigt", warum sich die Mieter die Schlüssel nicht geholt hätten, wisse er nicht.

Jetzt liegen die Schlüssel bei Pro Ventus in der Apollogasse zur Abholung bereit. "Wir haben den Mietern gesagt: bitte abholen", trotzdem sei es bisher nicht dazu gekommen. Nachsatz: "Wir beißen nicht."

Langhammer verwaltet mehrere Häuser der Castella GmbH bzw. deren Schwesterfirmen. Wie viele, will er nicht sagen; den Auftrag für die Verwaltung des Hauses Mühlfeldgasse 12 habe er jedenfalls seit rund einem Jahr, seit dem Eigentümerwechsel zu Castella.

Jedes Jahr zwei Dutzend Fälle in Wien

Seitens der Stadt Wien betont man, dass die Gebietsbetreuungen an den bekannten Adressen "regelmäßig vor Ort" seien. Rund zwei Dutzend ähnliche Fälle mit "manchmal drastischen Situationen" werden jedes Jahr an die Stadt Wien herangetragen, Bewohner werden auf Wunsch auch vom Rechtshilfefonds der Stadt Wien unterstützt, sagt der Sprecher von Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ), Hanno Csisinko.

Er weist auch darauf hin, dass es natürlich auch immer wieder zu "Bestandfreimachungen" komme, bei denen es für Mieterschützer nichts zu beanstanden gebe – "Hausbesitzer, die völlig legitime Vereinbarungen treffen". Neben einer finanziellen Abgeltung sei auch die Bereitstellung einer adäquaten Ersatzwohnung möglich.

Nicht gehaltene Vereinbarungen

Mieterschützer raten hier dennoch zu erhöhter Vorsicht. Josef Iraschko, Mietrechtsexperte und KPÖ-Stadtrat in der Leopoldstadt, der mit den Punks in der Mühlfeldgasse in regelmäßigem Kontakt steht, kann davon ein Lied singen. In einem weiteren aktuellen Fall seien einer Mieterin beispielsweise 8.000 Euro angeboten worden dafür, dass sie aus ihrer Wohnung auszieht. "Am Tag der Wohnungsübergabe bekam die Dame dann aber ein E-Mail, in dem behauptet wurde, dass sie falsche Daten über die Wohnung genannt hätte." Er habe nachgemessen, behauptete der Vermieter: Die Wohnung sei in Wahrheit kleiner, als sie angegeben habe, die Übergabe fand nicht statt.

Die Mieterin hatte aber zu diesem Zeitpunkt naturgemäß schon eine andere Wohnung angemietet, stand nun mit zwei Wohnungen da. "So sollte Druck aufgebaut werden, damit die Dame einer Preisreduktion zustimmt."

"Visitenkarte vom Anwalt überreichen"

Wenn Geld angeboten wird, rät Iraschko dazu, wirklich alles zusammenzurechnen: die Kosten für die Wohnungsauflösung, den Umzug, sämtliche Nebenkosten. Und natürlich auch die Mehrkosten der neuen Wohnung, für mindestens zehn Jahre.

Auch Kirnbauer empfiehlt, sich die höheren Wohnkosten für die neue Wohnung für zumindest zehn Jahre abgelten zu lassen. Generell sollte man sich aber seiner Meinung nach erst gar nicht auf solche Gespräche mit den neuen Hauseigentümern einlassen. "Am besten einfach die Visitenkarte von einer Mieterorganisation oder von einem Anwalt überreichen – an die soll er sich wenden."

"Immer alles schriftlich machen" sei jedenfalls oberstes Gebot, so Iraschko, "und auf jeden Fall sollte man einen gerichtlichen Räumungsvergleich machen, den ebenfalls der Vermieter zahlen muss." In einem solchen wird vereinbart, dass man die Wohnung zu einem bestimmten Datum aufgibt und was genau man dafür bekommt. "Das ist ein gerichtlicher Vertrag, der exekutierbar ist. Das geht nur vor Gericht."

Sachverhaltsdarstellung abgeschickt

Die Staatsanwaltschaft hat Anfang dieser Woche übrigens Post von Iraschko bekommen: seine angekündigte Sachverhaltsdarstellung über die Vorfälle in der Mühlfeldgasse 12 von Anfang dieses Monats. Darin ist von Freiheitsberaubung, Nötigung und Amtsanmaßung die Rede, und die Polizei kommt darin auch nicht allzu gut weg.

Ganz allgemein ist auch für Kirnbauer die oft "zurückhaltend" agierende Polizei ein Grund für die Eskalation eines Streits zwischen Mieter und Vermieter. Er räumt aber auch ein, dass es manchmal sehr schwierig sei für die Gesetzeshüter, aktiv zu werden. Eigentümer dürfen schließlich ihr Haus betreten, wann sie wollen, und wer sich schikaniert fühlt, kann oft lediglich eine vage Anzeige gegen unbekannt erstatten, die wenig hilfreich ist.

Schneller Weiterverkauf wahrscheinlich

Nicht ganz klar ist für Kirnbauer außerdem, was die neuen Eigentümer mit dem Haus in der Mühlfeldgasse 12 eigentlich vorhaben, wenn es erst einmal bestandsfrei ist. Schließlich wäre eine Generalsanierung gemäß Paragraf 18 des Mietrechtsgesetzes auch bei noch in der Wohnung befindlichen Mietern – mitsamt einer Erhöhung des Mietzinses – jederzeit möglich. Ein Abriss des aus dem Jahr 1876 stammenden Gebäudes sei jedenfalls kaum möglich, weil es sich in einer Schutzzone befinde.

Am wahrscheinlichsten ist für Beobachter aber ohnehin ein schneller Weiterverkauf. Das Haus mit rund 930 Quadratmetern Nutzfläche soll schon inseriert worden sein, und zwar für 1,95 Millionen Euro samt "bestandsfreier Übergabe auf Wunsch" bzw. um 1,85 Mio. Euro "mit 3 Mietern". Erworben hat es die Castella GmbH vor einem Jahr um 1,5 Millionen Euro (inkl. Übernahme eines Pfandrechts in Höhe von 117.600 Euro), der Kaufpreis wurde aber später einvernehmlich um 260.000 Euro reduziert, weil das Haus "schwere statische Mängel" aufweise. (Martin Putschögl, derStandard.at, 25.8.2012)