Alpach - Bundespräsident Heinz Fischer hat sich am Sonntag bei der Eröffnung der "Politischen Gespräche" beim Forum Alpbach mit deutlichen Worten für eine substanzielle Reform der europäischen Verträge schon in naher Zukunft ausgesprochen.

In der Krise, die die Union seit 2009 wirtschaftlich, aber auch in demokratiepolitischer Hinsicht erfasst habe, gelte es jetzt, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es müssten dabei vor allem "jene Fehler, die zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gemacht wurden, vermieden werden". Nicht nur ganze Volkswirtschaften, sondern auch die politischen Systeme ganzer Länder seien damals zerstört worden, referierte Fischer. Heute sei Sparen zwar einerseits "das Gebot der Stunde". Auf der anderen Seite aber sei nur zu sparen ohne Wachstum "kein Erfolgsmodell". In der EU jedenfalls müssten Maßnahmen getroffen werden, die diese beiden Elemente im Auge behielten, beide Dimensionen von Sparen und Wachstumschaffen energisch verbinden.

Der Zeitfaktor sei dabei entscheidend. Kurzfristig werde es darum gehen, das Finanzsystem zu verbessern, die Bankenaufsicht zu stärken, Abwicklungsfonds auf europäischer Ebene einzurichten, die Elemente für eine "Fiskalunion" zu schaffen. "Es wird letztlich ein Konvent notwendig sein", erklärte der Bundespräsident, als ein von den Staats- und Regierungschefs unter Einbindung des Europäischen Parlaments stattfindender Kongress, der einen neuen EU-Vertrag mit stärkerer Integration erarbeitet.

Manche täten heute so, als sei die Union "ein feindliches Projekt", sagte Fischer. Dem wolle er widersprechen, Europa sei vor allem für die Jugend eine Chance zum Erfolg, er selbst sei "eher optimistisch". Im Zuge der demokratischen Weiterentwicklung werde es vor allem darum gehen, das Zusammenspiel von nationalstaatlicher Demokratie und europäischer Ebene zufriedenstellend zu entwickeln.

Dass die EU vor allem für die beitrittswilligen Länder nach wie vor ein Hoffnungsgebiet sei, betonte der kroatische Präsident Ivo Josipovic in seiner Rede. Kroatien wird Mitte 2013 der Gemeinschaft beitreten. Für ihn ist die Union nach wie vor auch ein Friedenprojekt, erklärte der 55-Jährige und verwies auf die jüngere Geschichte auf dem Balkan: "Als ich jung war, da war bei uns viel Optimismus. Niemand hätte damals geglaubt, dass es Krieg geben könnte", sagte Josipovic. Er wünsche sich von der Union daher weiterhin, dass sie zum Konzept der Erweiterung stehe. Die EU habe seinem Land jedenfalls sehr geholfen. Ohne diese Hilfen wären Reformen nicht möglich gewesen. (Thomas Mayer /DER STANDARD, 27.8.2012)