Von der soeben von einem Sprachkurs in England zurückgekehrten, knapp 15-jährigen L. erfahren wir, dass sich während der letzten Nacht des Aufenthalts die Mädchen, wie es halt so ist, zu einem Besuch bei den - ordnungsgemäß woanders untergebrachten - Burschen entschlossen. Um zu diesen zu gelangen, hätten sie, die Mädels, sogar durch ein Fenster kriechen müssen.

Na ja, um das Objekt der in diesem Alter noch relativ neuen Begierde zu erreichen, muss eben so manche Hürde überwunden werden. Wobei aus emanzipatorischer Sicht hochlöbliche proaktive Ansätze - nicht abzuwarten, bis endlich einer durchs Fenster gekrochen kommt - auch meiner Generation nicht mehr fremd waren.

Während uns also dieser Teil von L.s Geschichte nicht weiter überrascht oder gar erschreckt, so weicht sie danach doch massiv von jenen vergangener Zeiten ab: Es wäre, erzählte L. nämlich, recht komisch (wobei sie selbstverständlich ein anderes Adjektiv benutzte) gewesen, die Buben mit ihren "ungemachten Haaren" zu sehen.

Seitdem taxiere ich, kaum betrete ich den öffentlichen Raum, jedes pubertierende männliche Wesen - beziehungsweise dessen in der Tat oft "gemachten" Haarschopf. Die Mähne ist bei fast allen in der gleichen Art über Haupt und Stirn geblasen, wirklich sehr herzig. Aber dann stelle ich mir die Knaben kopfüber durch ein Fenster purzelnd vor und weiß: Das geht sich nicht aus. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 29.8.2012)