Der Aufstand der Ron-Paul-Anhänger hat der Inszenierung von Mitt Romneys Krönung zum offiziellen republikanischen Präsidentschaftskandidaten noch weniger geschadet als der Sturm Isaac, der am Mittwoch auf New Orleans traf. Der ewige Mitbewerber war schon bei früheren Veranstaltungen ein Störenfried. Seine radikal-libertäre Politik hat zwar dank seiner Erfolge in den Vorwahlen an Einfluss gewonnen, aber als Person bleibt Paul ein Statist.

Dennoch steckt Romney noch vor seiner mit Spannung erwarteten Ansprache in einer Zwickmühle. Er hat zwar den Parteitag im Griff, nicht aber seine Partei. Dort haben ultrarechte Kräfte rund um die Tea Party ihre Macht zuletzt weiter ausgebaut und den Spielraum des Spitzenkandidaten massiv eingeschränkt.

Ideologische Mühlsteine

Das schlägt sich im neuen Parteiprogramm nieder, das in Tampa abgesegnet wurde. Es fordert massive Steuersenkungen, die Radikalreform von Medicare, der beliebten Krankenversicherung für Ältere, eine harte Anti-Einwanderungs-Politik und das Totalverbot von Abtreibungen. Weder unter Ronald Reagan noch unter George W. Bush standen die Republikaner so rechts wie heute. Vom amerikanischen Mainstream sind sie weiter entfernt denn je. Sie sind das Spiegelbild der Demokratischen Partei der frühen Siebzigerjahre, die nach außen hin von der Anti-Vietnam- und der Hippie-Bewegung geprägt war.

Für Romney bringt das vielfache Probleme mit sich. Der rechte Kurs passt einfach nicht zu seiner an sich pragmatischen Persönlichkeit: Als Unternehmer und Gouverneur hat er nicht Visionen verfolgt, sondern stets nach Lösungen gesucht. Nun hängen ihm im Wahlkampf gleich zwei ideologische Mühlsteine um den Hals: das unbarmherzige Parteiprogramm und sein radikal-intellektueller Vize Paul Ryan, der bereits jetzt den Ton der Kampagne angibt.

Bisher wurden alle US-Präsidentenwahlen in der politischen Mitte geschlagen und gewonnen. Wenn Romney das Kunststück schafft, dennoch die Wahl zu gewinnen, könnte er das nur der Schwäche Barack Obamas und der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit verdanken. Aber dann würde Romney erst recht vor der Frage stehen, wie er mit solchen Vorgaben eine 300-Millionen-Nation regieren soll.

Budgetpatt

Der Staat braucht für eine wirtschaftliche Erholung dringend höhere Steuereinnahmen. Aber seit George Bush Sr. gilt es als selbstmörderisches Unterfangen, ein Antisteuerversprechen wie "read my lips: no new taxes" zu brechen. Einen Ausweg aus dem Budgetpatt, das die US-Wirtschaft nächstes Jahr in eine neue Rezession zu stoßen droht, würde er noch weniger finden als Obama.

Und selbst bei einem Wahlsieg hätten die Republikaner die Saat für zukünftige Wahlniederlagen und eine "neue demokratische Mehrheit" gesät. Diese gewagte These von Ruy Teixeira und John Judis aus dem Jahr 2002 wird immer mehr zur Realität. Mit ihrer verbitterten Anti-Einwanderungs-Politik stoßen sie die Latinos, die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe, vor den Kopf, und mit der Intoleranz bei Abtreibung und Homo-Ehe Frauen und urbane Wähler.

Eine brillante Rede, eine starke Leistung in den TV-Debatten und ein fehlerfreier Wahlkampf könnten Romney zum nächsten Präsidenten machen. Aber die extremen Geister in seiner Partei wird er nicht mehr los. Und die sind für ihn als Wahlkämpfer und als möglicher Staatschef ein Fluch. (Eric Frey, DER STANDARD, 30.8.2012)