Zügelpinguine bei Baily Head, in einer der größten Kolonien von Deception Island.

Foto: Thomas Müller

Frankfurt - Der trendige Antarktis-Tourismus ist in jüngster Zeit wiederholt in die Kritik geraten: Tierschützer warnen davor, dass Menschengruppen Pinguinkolonien - ein besonders beliebtes Ausflugsziel bei Antarktis-Kreuzfahrten - beim Brüten stören. Eine aktuelle Studie eines amerikanisch-deutschen Teams relativiert dies nun, wie das Senckenberg-Forschungsinstitut berichtet. Die in "Polar Biology" veröffentlichte Studie war dem Zügelpinguin (Pygoscelis antarctica) gewidmet. Die erstmals durchgeführte Zählung aller Brutpaare auf der Antarktis-Insel Deception Island bestätigt zwar den Rückgang der Bestände - allerdings findet er auch dort statt, wo sich keine Touristen einfinden.

Deception Island, eine vor der antarktischen Halbinsel gelegene Vulkaninsel, beherbergt mehrere große Kolonien von Zügelpinguinen. Sie ist eines der beliebtesten Ziele von Antarktis-Touristen. Steigende Besucherzahlen und schrumpfende Pinguinpopulationen führten unlängst zu Forderungen, den Tourismus deutlich einzuschränken. Da es jedoch kaum fundierte Erkenntnisse zum tatsächlichen Einfluss des Besucherandrangs auf den Pinguinbestand gibt, verschafften sich die Wissenschafter durch eine großangelegte Zählung auf Deception Island erstmals einen genauen Einblick in die tatsächliche Populationsgröße der Zügelpinguine.

Zählung

Von einer als Operationsbasis vor der Insel liegenden gecharterten Yacht aus erfasste das Forscherteam in einer knapp zweiwöchigen Zählaktion alle Pinguin-Brutpaare bzw. bebrüteten Nester der 137 Quadratkilometer großen Insel. Gezählt wurde mit einer standardisierten Methode, die durch mehrere Wiederholungen einen Fehler von höchstens fünf Prozent zulässt. Auf der Grundlage der Resultate konnten Referenzwerte für aktuelle hochauflösende Satellitenbilder ermittelt werden. Ein Vergleich mit Satellitenbildern der Region aus dem Winter 2002/2003 ergab einen Rückgang des Zügelpinguinbestandes auf Deception Island um fast vierzig Prozent. Der Abgleich mit einer Anfang 1987 durch eine andere Forschergruppe durchgeführten Schätzung deutet sogar auf einen Rückgang von über 50 Prozent des Bestandes hin.

Die Zählung erfasste gleichermaßen die touristischen Hotspots der Insel wie auch Kolonien, die nicht vom Tourismus betroffen sind. Ein Zusammenhang des Rückgangs der Tiere mit hohen Besucherzahlen konnte bei diesem Vergleich jedoch nicht festgestellt werden. Schätzungen anderer Wissenschafter bestätigen dies auch auf mehreren in der Nähe von Deception Island liegenden Inseln, wo ebenfalls Zügelpinguine leben, jedoch nicht von Menschen besucht werden. "Die Ergebnisse unserer Zählungen zeigen, dass der Tourismus wohl nicht der Grund für den starken Rückgang der Zügelpinguine ist", fasst Thomas Müller vom Biodiversität und Klima Forschungszentrum die Ergebnisse zusammen. "Die Pinguine werden auch dort weniger, wo überhaupt keine Touristen hinkommen".

Umweltfaktoren wichtiger

Damit rückt ein anderer Faktor wieder ins Visier. Müller: "Die Antarktische Halbinsel erwärmt sich schneller als jeder andere Ort auf der Südhalbkugel; die Durchschnittstemperaturen sind in den letzten 50 Jahren um 2,8 Grad Celsius gestiegen. Es wäre erstaunlich, wenn dies die Pinguine 'kalt' ließe". Auch die Bestände des ebenfalls auf der Antarktischen Halbinsel lebenden nah verwandten Adélie-Pinguins nehmen derzeit rapide ab. Viele Wissenschafter vermuten, dass der Klimawandel und die damit verbundenen Veränderungen der Meereisausdehnung und der biologischen Produktivität des Meeres zumindest Mitursache für den beobachteten Pinguinrückgang sind. Der Tourismus jedenfalls ist nach den Ergebnissen der Studie als Hauptursache auszuschließen. (red, derStandard.at, 4. 9. 2012)