Bob Mould: Nach einem Bad im Zaubertrank ist alles wieder gut.

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Seine letzten beiden Alben waren nicht viel mehr als Classic Rock ohne Biss. Musik für Mittelklassewagenlenker mit Hüftgold, das unterm Band-T-Shirt über den Gürtel quillt. Damit sägte Bob Mould am eigenen Status, dem eines "Godfather of Punkrock". Erlangt hat er diese Zuschreibung mit seiner Band Hüsker Dü, mit der er in den 1980er-Jahren den Blueprint einer Musik schuf, mit der Bands wie Nirvana in den 1990ern Weltkarriere gemacht hatten. Darauf angesprochen, gibt sich der mittlerweile 51-Jährige zwar geschmeichelt, sagt aber, dass er nicht in der Früh in den Spiegel sehe, um einen "Godfather" zu erblicken. Außerdem sei er, wenn es so wäre, dann nur einer von mehreren, und eigentlich widerspräche derlei Nomenklatur dem Wesen des Punk grundsätzlich.

Selbst das Gesäge ist nun vorbei. Denn Bob Mould veröffentlicht das Album "Silver Age" und zeigt sich darauf in alter (Höchst)form. Er spielt im Trio so griffigen wie bissigen Powerrock mit lässigen Breaks und Melodien bei angezogener Geschwindigkeit. Gründe für diese Besinnung auf seine eigentliche Stärke gebe es drei, sagt er. Einmal die Beschäftigung mit der eben erfolgten Wiederauflage des Katalogs seiner zweiten Band Sugar. Ebenfalls ein Rabiattrio mit Pop-Appeal, war er damit in den 1990ern kommerziell erfolgreich. Sich mit den beiden Sugar-Alben neu zu beschäftigen sei ebenso Einfluss gewesen wie das Verfassen seiner Autobiografie "See a Little Light: The Trail of Rage and Melody". Für dieses Buch wendete er drei Jahre Zeit auf - eine Geduldsprüfung für einen Punkrocker, weshalb der Hunger nach einem schnell aus der Hüfte geschossenen Album stetig größer geworden sei. Und der dritte Grund sei die Freundschaft mit Dave Grohl. Mit dem früheren Nirvana-Drummer und jetzigen Chef der Foo Fighters sei in den letzten Jahren eine Freundschaft entstanden, der Mould es verdankt, vor und mit den Foo Fighters in großen Stadien der Welt zu spielen. Deren Energie habe die seine neu angestachelt.

Weiß man das, ist es "Silver Age" anzuhören. Mould klingt, als sei Obelix erneut in den Zaubertrank gefallen. Jetzt verspürt er den Drang, seine Römerhelm-Sammlung zu erweitern, und zwar pronto. Beim Pronto unterstützen ihn John Wurster am Schlagzeug und Jason Narducy am Bass, der unter Moulds flirrender und schneidender Gitarre ein Bett aus Melodien bereitet, die Wurster gen Himmel prügelt. Das entlädt sich herrlich ungestüm und rastlos - was zugleich das einzige Kritikpünktchen ist: dass Mould seinem Publikum keine Verschnaufpause gönnt, keiner Ballade Platz einräumt. Aber man kann nicht alles haben. Lieber keucht und schwitzt man mit ihm, als ihn weiter auf halber Kraft auf halbgaren Altherrenalben zu erleben.

Der wahrscheinlich beste Song hier ist "Briefest Moment", dessen Titel gleichzeitig Moulds Dringlichkeit auf den Punkt bringt. Darauf angesprochen, wirkt His Bobness zufrieden. "Silver Age" mag bedeuten, dass die Haare grau und weniger werden, das Vokabular von Bass, Gitarre und Schlagzeug funktioniere aber immer noch ausgezeichnet für ihn. Es gebe also keinen Grund für Selbstzweifel. Mit solchen habe er sich lange genug in seinem Leben herumgeschlagen, sie hätten ihm viele Jahre "bad vibes" beschert. Heute verschreibe er sich, so gut es ginge, den "good vibes". Weshalb er eine Frage nach dem Zustand des sogenannten Alternative Rock mit einer Handbewegung wegwischt. Das meiste sei nicht wert, darüber groß nachzudenken. Früher habe eine gute Band zehn Kopisten gehabt, heute 5.000. Gehe ihn nichts an.

Aber er hat leicht reden. Er spielt ja auch in seiner eigenen Liga. "Silver Age" belegt das deutlich. (Karl Fluch, Rondo, DER STANDARD, 7.9.2012)