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Kaum ein Autobauer (im Bild die Luxuslimousine Karma des US-Herstellers Fisker) hat kein Elektrofahrzeug in seiner Produktpalette. Die Zeit sei noch nicht reif, sagen Kritiker.

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Walter Boltz

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STANDARD: 2020 sollen laut Regierung und Industrie bis zu 250.000 Elektroautos auf Österreichs Straßen unterwegs sein. Realistisch?

Boltz: Völlig überzogen. Ende Mai waren laut Statistik Austria gerade einmal 1200 Elektroautos angemeldet. Die heutigen Autos sind so teuer und unattraktiv, dass die Verkaufszahlen so sind, wie sie sind. Das E-Mobil ist zumindest die nächsten 20 Jahre nicht die Lösung des Verkehrsproblems - im Gegenteil. Elektroautos verstellen den Blick auf das Wesentliche.

STANDARD: Inwiefern?

Boltz: Durch die Fokussierung auf das Elektroauto werden alle anderen, realistischeren und möglicherweise auch billigeren Alternativen erst gar nicht in Betracht gezogen.

STANDARD: Als da wären?

Boltz: Ein Bündel von Maßnahmen. Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs etwa. Man könnte sich überlegen, bestimmte Gruppen zu bestimmten Zeiten kostenlos fahren zu lassen. Jede Person mehr in der Straßenbahn oder im Zug ist eine Person weniger auf der Straße. Auch das reduziert Kosten. In Wien hat die Verbilligung der Jahreskarten zu einer deutlichen Frequenzsteigerung bei den Öffis geführt.

STANDARD: Was sollte noch gemacht werden, um die Emissionen im Straßenverkehr zu senken?

Boltz: Auf Erdgasautos setzen. Das ist eine ausgereifte Technologie, die Autos kosten nicht wesentlich mehr als Diesel-Pkws, es gibt ein flächendeckendes Tankstellennetz, und die Emissionen sind um bis zu 25 Prozent geringer als bei Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb.

STANDARD: Der Anteil der Erdgasautos ist verschwindend gering, obwohl es sie schon sehr lange gibt?

Boltz: Man muss die auch bewerben. Derzeit sind knapp 2000 Erdgasautos in Österreich unterwegs, in Italien sind es 780.000. Was man nicht kennt, greift man lieber nicht an. Man könnte auch die Effizienz herkömmlicher Benzin- und Diesel-Pkws erhöhen. Es gibt 4,5 Millionen davon in Österreich. Wenn da etwas weitergeht, ist das ein großer Hebel.

STANDARD: Sind Sie nicht ungerecht zum Elektroauto? Mit größeren Stückzahlen wird es sicher billiger.

Boltz: Die Grundproblematik sind die Reichweite und die Batterie. Eine nachhaltige Verbesserung ist hier die nächsten zehn bis 15 Jahre nicht in Sicht. Das Auto wird vielleicht ein bisschen billiger werden und auch etwas leistungsfähiger. Aber die Energiedichte ist auf Sicht so gering, dass man mit einem reinen Elektroauto auf Jahre hinaus nicht weiter als 150 Kilometer wird fahren können.

STANDARD: Was weit mehr ist, als ein durchschnittlicher Autofahrer pro Tag zurücklegt.

Boltz: Das sind Betrachtungen unter günstigsten Witterungsverhältnissen und Temperaturbedingungen - ohne dass es kalt ist und bergauf geht. Bei minus zehn Grad ist nach 60 bis 70 Kilometern schon Schluss. Wenn Benzin knapp wird, fährt man zur nächsten Tankstelle und ist nach ein paar Minuten wieder auf der Straße. Beim Elektroauto sprechen wir von mindestens einer Stunde.

STANDARD: Dass die Elektrizitätsunternehmen Strom verkaufen wollen und das Projekt pushen, liegt auf der Hand. Welche Motivation hat die Autoindustrie, auf E-Cars zu setzen?

Boltz: Die Pkw-Hersteller müssen ihren Flottenverbrauch senken, sind folglich interessiert, ein paar Modelle zu produzieren, die eine nominell CO2-arme Kategorisierung haben oder gar CO2-frei sind. Der springende Punkt ist: Die Flotte ist nicht so definiert, dass das die verkauften Autos sind, sondern die angebotenen. Die Autoindustrie hat die EU-Kommission in dem Punkt ganz schön über den Tisch gezogen. Auch mit Ökologie hat das Elektroauto wenig am Hut. Wenn man sich den Stromix in Europa ansieht, ist es ein Kohleauto - weil der Strom vorwiegend in Kohlekraftwerken erzeugt wird.

STANDARD: Eine verbesserte Batterientechnologie ...

Boltz: ... die mittels chemischer Prozesse viel Energie speichert, sehe ich noch in keinem Labor. Wenn man weiß, dass zwischen einer Anwendung im Labor und einer im Massenverkehr in der Regel zehn bis 15 Jahre verstreichen, ist auch von dieser Seite in nächster Zeit nichts zu erwarten. (Günther Strobl, DER STANDARD, 12.9.2012)