Die Konservatorin Gabriela Krist vor einem Holztafelgemälde der heiligen Agnes. Restauriert werden auch Metalle, Stein, Textilien.

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Die Konservierungswissenschafterin Gabriela Krist von der Angewandten spricht vom Zeitalter der "Entrestaurierung".

"Ein Restaurator aus dem 18. Jahrhundert, mit Perücke, auf einem Stuhl sitzend, ein Pinsel in der Hand, er bearbeitet eine Oberfläche eines Bildes, hinten spielt jemand Violine." Eine Postkarte dieser historischen Abbildung ist Gabriela Krist nur zu gut in Erinnerung geblieben: "Das traditionelle Bild des Restaurators."

Doch statt des Musikers begleiten heute Rasterelektronenmikroskope, Chromatografen sowie UV- und Röntgengeräte zur Durchleuchtung der Objekte die Werksarbeit. Die Arbeit des Restaurators hat sich kräftig gewandelt. "Auch weil wir uns schon lange nicht mehr nur mit Gemälden beschäftigen", sagt die Leiterin des Instituts für Konservierung und Restaurierung an der Universität für angewandte Kunst in Wien.

Die Behandlung von Metallen, Steinobjekten und Textilien ist zu spezialisierten Teildisziplinen der Konservierungswissenschaften gereift. Neue Methoden und Projekte rund um die Konservierung von Design und angewandter Kunst diskutieren internationale Experten seit 10. und noch bis 14. September im Rahmen eines Kongresses vom International Institute for Conservation (IIC) in Wien. Veranstaltet wird die Tagung in Kooperation mit dem Restaurierungsinstitut der Angewandten.

Die Sanierung des Kolosseums in Rom geschieht mit millionenschwerer Unterstützung eines Modeunternehmens; die Budgets für Restaurierungen werden immer knapper. "Daher ist die langfristige Erhaltung von Objekten heute sicherlich das Wichtigste", meint Krist. Und diese setzt schon im Umfeld der Kunstwerke an: Neueste Klimatechnik nutzen das Landesmuseum Niederösterreich und das Kunsthistorische Museum (KHM) Wien in ihren neuen Depots. Auch auf andere Gefahrenquellen wird in Ausstellungen und Lagern tunlichst verzichtet: "Heute weiß man, dass Spanplatten und brauner Karton aus Holzabfällen schädliche Säuren abspalten", erläutert die IIC-Vizepräsidentin. Cellulosematerialien und säurefreie Kartone sind hingegen unbedenklich.

Präventive Ansätze gab es bereits um 1900. Das damalige Credo lautete schon "Konservieren statt Restaurierung" – bestandssichernde Maßnahmen seien der ästhetischen Instandsetzung des Objektes vorzuziehen. "Damit hat man den großen Überarbeitungsphasen der Restaurierung des 18. und 19. Jahrhunderts, wo man großflächig übermalt oder drastische Formatveränderungen an Gemälden durchgeführt hat, entgegenwirken wollen", sagt Krist.

Vergangene Sünden

Dennoch: "Die heutige Restauratorengeneration hat kaum mehr die Möglichkeit, unberührte Zustände in den großen Sammlungen, vom Louvre bis zum Kunsthistorischen Museum, vorzufinden." Die Konservierungswissenschafterin sieht das "Zeitalter der Entrestaurierung" angebrochen, gegenwärtig müssen zur Sicherung eines Kunstwerkes auch immer wieder vergangene Sünden rückgängig gemacht – soweit eben möglich.

Ein derartiger Patient ist für die Institutsrestauratoren ein Dichter-Porträt, angefertigt im 17. Jahrhundert: Auf der Rückseite des Gemäldes haben sich Brotkäfer durch die Leinwand bis zur Malschicht durchgefressen. Angelockt wurden sie durch eine spätere Behandlung des Bildes: Seit Ende des 18. Jahrhunderts, erzählt Krist, wurde ein Großteil der Gemälde "quasi als Prophylaxe" doubliert, also die Leinwandrückseite der Kunstwerke mit einem zusätzlichen Gewebe unterstützt. Als Kleber verwendete man eine Mischung aus Leim und Stärke mit natürlichen Zusatzstoffen wie Honig – und mit dem Nachteil, dass diese Insekten anzogen. Von massivem Befall zeugt der porträtierte Francesco Petrarca – "er ist bei weitem kein Einzelfall".

Entrestauriert wurde jüngst am Institut auch die "Fahne der Schwazer Knappen", ein um 1500 datiertes Textilstück aus dem Zeughaus des Tiroler Landesmuseums. Das Original wurde schon in früherer Zeit mehrmals überholt. Mit den damals hinzugefügten Gewebestücken und Übermalungen ist es heute schwer, die ursprüngliche Malerei zu erkennen. So suchten die Wissenschafter nach Wegen, alte Überarbeitungen zu entfernen, die zu neuen Rissen und Schwachstellen geführt haben.

Die Konservierungswissenschaft hat bereits im 19. Jahrhundert ihre Wurzeln. Einiges aus den alten "Rezeptbüchern" der Gemälderestaurierung hat man wieder abgelegt. Und heute müssen Restauratoren so arbeiten, dass die Objekte auch später wieder bearbeitet werden können: "Ich kann zum Beispiel Steinobjekte nicht mit einem Epoxid-Harz festigen, wenn ich weiß, dass dieser Klebstoff keinen anderen Behandlungsschritt mehr zulässt", erläutert Krist.

Seit 1933 gibt es in Wien erste akademische Restaurierungsprogramme. Den Erhalt des Promotionsrechts mit der Uni-Gesetzesnovelle im Jahr 2000 war "ein wichtiger Schritt, die akademische Ausbildung und Forschung weiterzutreiben", sagt Krist, an deren Institut rund 60 Studenten durch die Arbeit mit Originalen geschult werden. Auch wenn man heute manches besser weiß: Am Mut zur Lücke darf es nicht mangeln.

Fehlende Belege

Die Rückseite eines beidseitig bemalten Holztafelgemäldes, ein 500 Jahre alter Altarflügel aus dem Grazer Joanneum, hat ein vergangener Wasserschaden schlimm zugerichtet. Die Institutsrestauratoren konnten die losen Malschichten festigen. Doch an eine farbliche Rekonstruktion ist nicht zu denken: Es fehlen jegliche Belege, wie das Bild einmal ausgesehen haben könnte. "Vielleicht kann die Restaurierung in 100 Jahren mit neuen Technologien oder Ansätzen mehr darüber in Erfahrung bringen", sagt Gabriela Krist. "Wir müssen das für eine andere Generation sehr ehrlich offenlassen." (Lena Yadlapalli, DER STANDARD, 12.9.2012)