"Gottfried Küssel hätte bei uns keine Chance", sagt Matthias Strolz.

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STANDARD: Haben Sie als ÖVP-Dissident kein ernst zu nehmendes Angebot von Frank Stronach bekommen, dass Sie nun eine eigene Partei für die Nationalratswahl gründen?

Strolz: Bisher war ich deklarierter ÖVP-Wähler. Aber die ÖVP hab nicht ich verlassen, die ÖVP hat mich verlassen.

STANDARD: Deswegen haben Sie mit Stronach gesprochen - warum sind Sie mit dem Milliardär nicht ins Geschäft gekommen?

Strolz: Es gab ein Treffen im Jänner, aber wir sind nicht zusammengekommen - weder inhaltlich noch stilistisch. Stronach ist nicht teamfähig. Es gäbe nur eine Form der Kooperation - und die hieße Unterwerfung.

STANDARD: Er will zurück zum Schilling - und Sie?

Strolz: Das ist grotesk, dafür stehen wir nicht zur Verfügung.

STANDARD: Warum fühlen Sie sich von der ÖVP verlassen?

Strolz: Nach den Vorkommnissen der letzten Monate kann ich nicht mehr guten Gewissens die ÖVP wählen. Hinter "Das neue Österreich", kurz "Neos", stehen derzeit rund 200 Leute, darunter viele frustrierte ÖVP-Wähler, aber auch ehemalige Grün-, LIF- und SPÖ-Wähler. Für uns stellte sich die Frage: "Wählen wir nächstes Mal weiß, gar nicht mehr - oder gründen wir eine eigene Partei?"

STANDARD: Ihre Plattform trat bisher vor allem gegen Korruption, für mehr Transparenz ein - aber das tun längst auch schon Grüne und Piraten?

Strolz: Initiativen gegen Korruption hat vor allem unsere kleine Schwester „Österreich spricht" gesetzt. Am 27. Oktober findet der Gründungskonvent von "Neos" statt, da werden wir andere Themen präsentieren. Wir sind etwa für ein Demokratiepaket, wie es ÖVP-Staatssekretär Sebastian Kurz erarbeitet hat - mit einem stärkeren Persönlichkeitswahlrecht und mehr direkter Demokratie. Kurz ist super!

STANDARD: Auf Facebook haben Sie ihn bereits "willkommen" geheißen. Kurz gilt jedoch nicht gerade als ÖVP-Querdenker?

Strolz: Wir haben großen Respekt vor seiner Leistung beim Integrationsthema.

STANDARD: Kurz predigt vor allem Leistung, damit Zuwanderern in der Gesellschaft gleichgestellt werden.

Strolz: Aber Österreich redet zum ersten Mal über Integration - und nicht nur darüber, wie man die Ausländer am besten hinaus bekommt. Außerdem hält Kurz das Bündesystem der ÖVP für überholt. Weder ÖVP noch SPÖ sind in der Lage, das Land vorwärtszubringen - auch, weil sie sich lieber links und rechts die Millionen in die Säcke stecken, siehe Erhöhung der Parteienförderung.

STANDARD: Sie selbst waren unter Schwarz-Blau parlamentarischer Mitarbeiter im ÖVP-Klub. Der U-Ausschuss hat viele Korruptionsaffären aus dieser Zeit beleuchtet - wie stehen Sie heute zu der Ära?

Strolz: Auch wenn ich mich jetzt nicht beliebt mache - aber vieles, was das erste Kabinett von Wolfgang Schüssel gemacht hat, habe ich für richtig befunden. Zunächst war es wichtig, das rot-schwarze Machtkartell aufzubrechen ...

STANDARD: Stattdessen ist ein schwarz-blaues entstanden, siehe Telekom, Buwog et cetera.

Strolz: Jetzt bin ich auch g'scheiter als damals. Aber ich habe die Restitutionszahlungen oder die Pensionsreform für richtig befunden.

STANDARD: Sie bereuen also nicht Ihr damaliges Engagement?

Strolz: Nein. Ich habe dort Werte kennengelernt, die ich schätze: Eigenverantwortung etwa.

STANDARD: Was missfällt Ihnen dann konkret an Michael Spindeleggers ÖVP?

Strolz: Wenn Spindelegger nach wie vor das differenzierte Schulsystem als Nonplusultra verkauft, bin ich sprachlos. Kinder mit zehn Jahren in gute und schlechte Schüler einzuteilen halte ich für letztklassig.

STANDARD: Wollen Sie selbst den Spitzenkandidaten geben?

Strolz: Ich will als Parteichef kandidieren. Ob ich den Spitzenkandidaten mache, kann ich Ihnen noch nicht sagen, weil bei uns ein Drittel der Kandidaten offen für die Bevölkerung sein soll, ein Drittel für die Mitglieder und das weitere Drittel soll der Vorstand bestimmen.

STANDARD: Birgt das nicht die Gefahr, dass Obskuranten auf Ihrer Liste landen?

Strolz: Wenn jemand wie Gottfried Küssel (Rechtsextremist, Anm.) käme, hätte der keine Chance. Da sollen zigtausende Leute bei uns mitmachen - und ich bin sicher, die wären bei bedenklichen Bewerbern ein Korrektiv. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 13.9.2012)