Vea Kaiser in ihrem Wohn-Schlaf-Schreibzimmer, in dem sie bis zu zehn Stunden an einem Stück durchschreibt.

Foto: Lisi Specht

Die Schriftstellerin Vea Kaiser wohnt in einer kleinen Wohnung in Wien-Neubau. In ihren Räumen, erfuhr Michael Hausenblas, darf sie nichts ablenken.

"Eigentlich sollte diese Wohnung hier im siebten Bezirk nur eine Übergangslösung sein. Mein Vater hat sie vor drei Jahren für mich gefunden, und ich war sofort begeistert. Das bin ich eigentlich immer noch, abgesehen vom Lärm, den die Tauben im Innenhof machen, und dem nächtlichen Halligalli meiner Nachbarin. Wir haben vereinbart: Wenn ich mit dem Wörterbuch dreimal gegen die Wand haue, ist Ruhe! Das funktioniert meistens ganz gut. Ich hab aber auch einen der tollsten Nachbarn der Welt. Er heißt Arno und ist eine 2012er-Version von MacGyver. So weit kann ich gar nicht zählen, wie oft er mir schon aus irgendeiner Notlage geholfen hat.

Meine Bleibe ist eine richtige Studentenwohnung. Es gibt ein größeres Zimmer, in dem ich schlafe und arbeite, ein kleines Bad und eine kleine Küche. Alles zusammen hat nicht einmal 40 Quadratmeter. Während all der Zeit, in der ich hier an meinem Roman 'Blasmusikpop' arbeitete, hab ich eigentlich nicht wirklich gewohnt. Ich hab in diesen zwei Jahren nur studiert oder geschrieben - ein bisschen Duschen, Kochen und Umziehen war der Rest. Ich hatte einfach keine Zeit für etwas anderes. Mein Rekord war einmal zehn Stunden durchschreiben, und zwar in einem Stück. Und so wurde dieser Ort mit der Zeit zur reinen Arbeitswohnung.

Ich bin schon froh, dass ich aus dem großen Zimmer ein Stückchen Weg in die Küche zurücklegen muss, denn das bietet mir die Möglichkeit, mich ein bisschen aus dem Arbeitsprozess auszuklinken. Dabei mag ich keine Dinge, die mich ablenken könnten - keine Haustiere, keine Pflanzen, nichts, das etwas von mir braucht. Ich glaube, deshalb könnte ich nur schwer mit jemand anderem zusammen wohnen. Ich hab auch keinen Fernseher. Außerdem bin ich ein wahnsinniges Gewohnheitstier. Ich fühl mich hier in der Gegend wie in einem kleinen Dorf. Ich hab meinen Optiker, meinen Trafikanten, meine Ärzte, meine Stammbar. Auch mit den Hofer-Kassierinnen bin ich in gewisser Hinsicht befreundet.

Manchmal möchte ich schon umziehen. Langsam geht mir einfach der Platz aus. Außerdem kann ich mir nicht vorstellen, noch einen Roman hier zu schreiben. Aber mein Freund lebt in Zürich, und ich hab mir gesagt: Das Geld, das ich mir hier bei der Miete spare, investiere ich in Flugtickets. Abgesehen davon werde ich die nächsten Monate sowieso fast durchgehend auf Lesereise sein.

Wie auch immer, ein zweites Zimmer und eine Wohnung mit Ausblick wäre schon schön. Die Räume sind ziemlich düster, und ich sehe nur auf Hauswände. Die Umgebung ist fürs Schreiben sehr wichtig, wobei ich diesbezüglich zwei Phasen erlebe. In manchen kann ich überall schreiben, sogar am Flughafen am Boden hockend, während rundherum die Leute Wirbel machen. Dann gibt es wiederum Zeiten, in denen ich einen Ort brauche, an dem ich die totale Konzentration hab. Da würde mich auch ein zweiter Mensch in der Wohnung zu sehr ablenken.

Ich brauch eine Umgebung, die mir vertraut ist. Durchgestylte Innenarchitektenwohnungen und der Gedanke an ein klares Konzept sind mir suspekt. Wo bleibt da das Eigene? Ich mag das Zusammengestückelte, ich mag es, wenn eine Umgebung wächst. Die Bank in der Küche zum Beispiel stammt von meinen Eltern, und der Tisch ist vom Flohmarkt. Das 'Breakfast at Tiffany's'-Plakat erinnert mich an ein romantisches Wochenende in Madrid. Ich hänge sehr an Büchern und an Dingen, die mit einer Geschichte verknüpft sind.

Ich muss schon auch zugeben: Ein weiterer Grund, warum ich diese Wohnung liebe, ist ihre Lage in der Kaiserstraße. Unter Freunden ist es mittlerweile zum Running Gag geworden, die 'Frau Kaiser in der Kaiserstraße' zu besuchen."  (DER STANDARD, 15./16.9.2012)