Recycled, 2012. Aluminium

Foto: Christoph Fuchs

Ohne Titel (Selbsportrait), 1981. SW-Fotografie

Foto: Hans Kupelwieser

StP, 2012. Glanzstoff

Foto: Christoph Fuchs

Die große Personale von Hans Kupelwieser zeigt unter dem Titel REFLECTIONS für die Ausstellung eigens konzipierte neue Werkgruppen und stellt diese in eine retrospektive Zusammenschau mit einer Auswahl von Frühwerken.

Die präsentierten Arbeiten geben einen Überblick zu Hans Kupelwiesers reflexivem Umgang in und mit seinem Schaffen, wie der Künstler - auf eindrucksvolle Weise immer wieder aufs Neue - ästhetisch mit dem Zweidimensionalen und Dreidimensionalen, der Fläche, dem Plastischen, dem Kinetischen und dem Virtuellen bis hin zur hybriden Architektur jongliert. Im Zentrum von skulpturalen Werken vermittelt die Werkschau, zu der auch ein Katalog erscheint, authentisch ein wegweisendes Schaffenswerk.

Das Auswählen, Zusammenstellen und Produzieren für diese Ausstellung ist für mich durchaus mit der künstlerischen Tätigkeit vergleichbar. Die Retrospektive komprimiert räumlich und zeitlich, bringt meine Kunst für die Wahrnehmung auf den Punkt. Das Nebeneinander der Kunstwerke in der Ausstellungshalle bzw. im Katalog ergibt einen neuen Dialog der Arbeiten und Objekte untereinander. Was retrospektiv mehrere Jahrzehnte waren, sind zeitliche Gedankenblitze. Es sind unterschiedliche Erscheinungsformen, und alle Interpretationen sind Reflexionen", so Hans Kupelwieser zu seiner Herangehensweise an die Ausstellung in der LANDESGALERIE FÜR ZEITGENÖSSISCHE KUNST ST. PÖLTEN im Landesmuseum Niederösterreich.

Der in Wien und Lunz lebende und arbeitende Künstler besuchte die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien (1970-1973) und die Universität für angewandte Kunst in Wien (1976-1982) bei Herbert Tasquil, Bazon Brock und Peter Weibel. Seit 1995 ist Hans Kupelwieser Universitätsprofessor und Vorstand am Institut für Zeitgenössische Kunst an der TU Graz, Fakultät für Architektur.

Eine große Bedeutung beim Erforschen und Ausloten einer adäquaten, zeitgenössischen Formensprache hat für Hans Kupelwieser die Verwendung verschiedener Techniken, Medien und Materialien. Der Bogen spannt sich von frühen fotografischen Arbeiten mit konzeptuellen Aspekten, über Objekte zur vergleichenden Kunstgeschichte bis hin zur Erprobung neuer Sehweisen, Neuerfindungen und der Produktion von noch nicht Gesehenem.

Erweiterte Fotografie
Unter dem Titel Erweiterte Fotografie organisierten Anna Auer und Peter Weibel 1981 in der Secession in Wien eine Gruppenausstellung, in der u.a. frühe konzeptuelle Fotoarbeiten von Hans Kupelwieser zu sehen waren.

Swarm Paintings
Hans Kupelwiesers Swarm Paintings (1998) sind Fotografien von Rundbecken, die der Aufzucht von Fischen dienen. In den Rundbecken wird die Strömung von natürlichen Fließwässern simuliert, die Fischschwärme richten sich entsprechend der Strömung aus. In den Fotografien simulieren die Fische impressionistische Maltechnik.

Medien- und Materialmanipulationen
Konstituierend bei der Entwicklung von Kunstwerken sind für Hans Kupelwieser das freie Operieren mit verschiedenen Medien und Eigenschaften von verschiedenen Materialien. Die industrielle Bearbeitung und die Benützung von Maschinen ist für das Entwickeln neuer Arbeiten genauso wichtig wie die manuelle Arbeit im eigenen Atelier. Mit diesen Aspekten hat Hans Kupelwieser von Beginn seines künstlerischen Schaffens an immer in Industrieunternehmen gearbeitet, die ihm die optimalen Bedingungen für die Produktion seiner künstlerischen Arbeiten boten.
In der Aluminiumverarbeitungsfirma Neuman in Marktl bei Lilienfeld entstanden die ersten aufgeblasenen Aluminiumarbeiten, die pneumatischen Skulpturen (Gonflables). Die Berndorf AG ermöglichte Hans Kupelwieser die Produktion von Skulpturen aus verspiegeltem Edelstahl und Aluminiumseilen, vor allem eine Serie von Schriftskulpturen, u.a. das Denkmal für den Jüdischen Friedhof in Krems.

Nylons
Der Titel der Serie Nylons (1994-2004) verweist auf das Ausgangsmaterial: Einkaufstaschen (Nylonsackerln) aus PVC. Hans Kupelwieser arrangiert die Taschen nebeneinander, stellenweise überlappend, fotografiert sie als hinterleuchtetes Mosaik. Aus einer ursprünglich materialreichen Collage entsteht mittels Fotografie eine Leuchtfläche, die an traditionelle Glasmalerei erinnert. Durch die technische Anwendung haben nun Material, Form und Inhalt eine Transformation und Transmutation vollzogen: nichts ist, was es scheint.

Pneumatische Skulpturen
Zwischen 1998 und 2004 entsteht eine Werkserie, mit dem Titel Gonflables: Randverschweißte Doppelwände aus Aluminium werden aufgeblasen. Luftdruck und Material sind formgebend. Die Entstehung des jeweiligen Werks unterliegt dabei dem Zufall und das Resultat ist immer ein anderes. Das von Kupelwieser verwendete Material ist nicht die mittels Luftbewegung leicht verformbare Kunststofffolie, sondern schwer formbares Metall. Dieses Material simuliert eine Funktion und Fähigkeit, die real scheinbar nicht existieren.
Zu den pneumatischen Skulpturen gehört auch eine neuere Werkgruppe, die nicht mit Luftdruck (Überdruck), sondern durch Unterdruck entsteht. Dabei werden ausgewählte Gegenstände mit einer Plastikhülle überzogen und die Luft abgesaugt. Die ursprünglich lose liegenden Gegenstände werden zu einem starren Gebilde.

Fotogramme
Die Fotogramme sind Abbildungen von Gegenständen. Im Gegensatz zur Fotografie wird bei der Herstellung von Fotogrammen keine Kamera benutzt, sondern lichtempfindliche Materialien wie Film oder Fotopapier werden direkt belichtet. Die räumliche Ausdehnung der Lichtquelle und der Abstand der Objekte vom Film bestimmen dabei die Konturierung des Schattens (Abbildes). Abbildungen und Objekte stehen stets in einem zeitlichen und räumlichen Bezug.

Der Zwei- und Dreidimensionalität kommen in Kupelwiesers Fotogrammen eine besondere Bedeutung zu. Die Fotogramme sind Vorstufen zu seinen dreidimensionalen Werken. Zusätzlich wird durch die „Streuung" der Gegenstände der Zufall als wesentliches Gestaltungselement miteinbezogen. Als Beispiele seien hier seine bekannten Melanzani-, Spaghetti-, Erdäpfel-, Möbel- und Mistbilder angeführt, die der Künstler seit 1984 bis heute fertigt.

Reliefs
Kupelwieser wechselt bewusst die Dimensionen, überschreitet die konventionellen Grenzen zwischen den künstlerischen Medien von Fotografie und Plastik und erweitert damit deren Begriff. So schafft er aus Fotogrammen, die er zu dreidimensionalen Formen zerknüllt, Objekte. Der Bildträger, das Fotopapier, wird samt seinem Fotogramm vom Papierfetzen zum Papierrelief. Seine „Spaghettogramme" und „Erdäpfeldrucke" transformiert er wiederum in dreidimensionale Werke aus Gummi bis hin zu Betongüssen oder übernimmt die entstehenden Muster für neue Werke.

Computerarbeiten und Bodenplastiken
Umfassen eine Serie von „generierten" Grafiken, Skulpturen, Installationen, die per script, zumeist mit random-routines, per incjet-Druck, Lasercut und 3D-Print umgesetzt werden. So arbeitet Hans Kupelwieser z. B. in der Serie NAME (1997) mit der Buchstabenfolge seines Nachnamens und kreiert mittels computergenerierter Prozesse Zufallsanordnungen. Diese werden als resultierende Schnittmenge als Teilform weiter verwendet und dienen z.B. als Ausgangsbasis für Bodenplastiken aus Stahl.

Kinetische Skulpturen und Bewegungsfotografie
In seinen kinetischen Skulpturen geht es um Dimensionsveränderungen in beide Richtungen - vom Zweidimensionalen ins Dreidimensionale und umgekehrt - und um Veränderungen in der Zeit.
Bei Folded Coray (2008) beleuchtet Hans Kupelwieser zunächst den dreidimensionalen Aluminiumstuhl Landi (Design Hans Coray 1939). In einem zweiten Schritt materialisiert Hans Kupelwieser die exakte Form des flachen Schattens, den der Stuhl wirft, indem er die Form in Aluminium ausschneidet und die Blechform mehrfach zusammenfaltet. Resultat ist ein flaches Objekt, das schließlich an der Wand, ansichtsseitig und reliefhaft präsentiert wird. Ein Jahr später, 2009, lässt Kupelwieser für Spinning Coray den legendären Aluminiumstuhl auf einer Drehplattform rotieren und fängt die Bewegungen per Langzeitbelichtung fotografisch ein. Schlussendlich erinnern die visualisierten, nie restlos steuerbaren, fast gespenstig wirkenden Bewegungsspuren an Aurafotografien.

Postmediale Skulptur und Architektur
2004 kuratiert Christa Steinle, basierend auf Peter Weibels Überlegungen zur „substantiellen Wirkung" der neuen technischen Medien auf historische Medien wie Malerei und Skulptur, unter dem Titel Postmediale Skulpturen eine Ausstellung in der Neuen Galerie Graz. Damit werden die Grundzüge der Skulpturen von Hans Kupelwieser umfassend definiert.
Das Konzept der Transformationen (erweiterte Fotografie / postmediale Skulptur) wird über die bildende Kunst hinaus ausgeweitet: die 2004 errichtete Seebühne in Lunz am See, deren Funktion und Aussehen sich je nach Nutzung verändert, ist gleichzeitig hybride Architektur und eine große kinetische Skulptur.