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Was noch wie Zukunftsmusik klingt, könnte früher als gedacht Realität werden: Google liefert Gratisstrom und sichert sich im Gegenzug das Recht, Verbrauchsdaten zu versilbern.

Foto: Ap/knoth kai-uwe/Montage: Friesenbichler

Nizza - Auf den Strommärkten bahnt sich eine mittlere Revolution an. Neben den etablierten Platzhirschen werden zunehmend Quereinsteiger mit neuen Geschäftsideen am Strommarkt mitmischen, sind Experten überzeugt. Es sei eine Frage der Zeit, bis auch andere Bereiche - Wärme, Gas, vielleicht auch Wasser - an die Reihe kämen.

Konzerne wie Amazon, Ebay oder Google scharrten schon in den Startlöchern, hieß es bei einem Workshop am Sitz des IBM-Forschungszentrums in La Gaude nahe Nizza. Dort ist der US-Konzern, der einmal für Computer (Big Blue) stand und nun sein Geld hauptsächlich mit IT-Dienstleistungen verdient, mit der Überführung wissenschaftlicher Erkenntnisse in marktfähige Produkte beschäftigt. "Die Strombranche steht da, wo die Telekoms vor zehn, 15 Jahren gestanden sind", sagte Christian Leichtfried, Experte für intelligente Stromlösungen bei IBM Österreich. "Wenn man nachdenkt, was sich auf dem Telekomsektor getan hat, kann man erahnen, was sich bei Strom tun kann.

Daten liefern, Geld sparen

Ermöglicher sind die digitalen Zähler (auf Englisch Smart Meter), die bis 2019 in einem Großteil der österreichischen Haushalte den alten analogen Drehstromzähler verdrängen werden. Einer, der die Chance zum Quereinstieg nutzen möchte, ist eben Google. Der US-Suchmaschinenprimus kann sich vorstellen, Kunden kostenlos mit Strom zu versorgen, wenn er im Gegenzug Verbrauchsdaten vermarkten kann - freiwillig. Was bei uns nach ferner Zukunftsmusik klingt, könnte im Westen der USA und in Asien schneller kommen. Dort sind bereits Zigmillionen schlauer Zähler installiert, die sekundengenaue Verbrauchsmessungen ermöglichen.

In Österreich ist es Aufgabe der rund 130 Netzbetreiber, den auch von Brüssel gewollten Umtausch voranzutreiben. Mit Festlegung des Datenformats und des Mindestumfangs an Informationen, die den Stromkunden einen zeitnahen Überblick über den Stromverbrauch ermöglichen soll, ist der letzte Eckpfeiler auf dem Weg in die neue Stromwelt eingeschlagen. Wenn die Netze wenig ausgelastet sind wie in der Nacht, könnte Strom billiger, in der Morgen- und Abendspitze hingegen teurer werden. Durch Glättung des Verbrauchs könne man sich teure Netzausbauten sparen.

Umstellung kostet

Laut Martin Graf, Geschäftsführer der Regulierungsbehörde E-Control, sollten den Kunden durch den Zählertausch keine zusätzlichen Kosten entstehen: "Mit den maximal 2,40 Euro, die jeder Strombezieher monatlich an Mess-Entgelt bezahlt, sollten die Kosten abgedeckt sein." Während die Strombranche Zusatzkosten von bis zu 2,5 Milliarden Euro geltend macht, geht die E-Control von 800 Mio. Euro (rasche Umstellung) bis maximal 1,1 Mrd. Euro (lange Umstellungsphase) aus.

In Österreich sind knapp 5,5 Mio. Zähler zu tauschen; in Oberösterreich haben die Energie AG und die Linz AG schon knapp 200.000 Haushalte umgestellt.

IBM hat weltweit rund 70 Mio. Zähler implementiert; Datenschwund durch Hackerangriffe habe man bis dato keinen einzigen registriert, auch in Industrieunternehmen nicht, sagte IBM-Mann Leichtfried. (Günther Strobl, DER STANDARD, 21.9.2012)