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Schriftsteller Herbert Rosendorfer.

Foto: Lukas Barth/dapd

Bozen - Romane, Essays, Hör- und Drehbücher, Theaterstücke, Reiseliteratur, Libretti, literarische Historiengemälde, Familiengeschichten, Satiren auf den Wissenschaftsbetrieb, aber auch Kompositionen und Zeichnungen, ja sogar Kochrezepte des letzten bayerischen Henkers: Es ist ein schier unüberschaubares, schillerndes Werk, das Herbert Rosendorfer im Laufe von mehr als vier Jahrzehnten schuf. Als 1969 sein Romanerstling Der Ruinenbaumeister erschien, ein komisch-esoterischer Abenteuer- und Reiseroman, schrieb Friedrich Torberg begeistert über die "Entdeckung eines skurrilen Erzählertalents" , das mit seinem Briefroman Briefe in die chinesische Vergangenheit 1983 die Bestsellerlisten erklomm.

Die Vielfältigkeit, das radikal Genreübergreifende, die beißende Kritik, die überbordende Fantasterei, die geradezu rastlose Unbestechlichkeit im Schreiben und Beschreiben hängen wohl auch mit Rosendorfers Biografie zusammen: Geboren 1934 in Bozen, studierte er zunächst ein Jahr Bühnenbildnerei an der Akademie der Bildenden Künste, später Rechtswissenschaften in München, arbeitete als Jurist und Professor für Bayerische Literaturgeschichte, Gerichtsassessor in Bayreuth, Staatsanwalt und ab 1967 Richter in München, später in Naumburg/Saale.

Seine juristischen Berufserfahrungen flossen in Bücher wie Ballmanns Leiden oder Die Donnerstage des Oberstaatsanwaltes ein. Ein "Wortklauber" sei er, schrieb ein Kritiker einmal voll der Bewunderung über Rosendorfers Stil, der kein Stil war, sondern mitunter derb und deftig sein konnte, dann wieder hochpoetisch und kunstvoll ziseliert, frei jedenfalls von literarischen Normen und Zwängen und Moden.

Gerühmt für seinen scharfzüngigen Wortwitz und seine genaue Beobachtungsgabe, entwarf der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller - u.a. Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse - üppige, groteske, wunderlicheTraumwelten, verwob die Paralleluniversen mit konziser Gesellschafts- und Politikkritik: "Endlich verrottete das, was man den Westen nannte, vollkommen. Vor allem die Unfähigkeit, die menschliche Inkompetenz und die Bestechlichkeit so gut wie aller Politiker, die hemmungslose Hintanstellung jeder ökologischen Rücksicht, die einseitig profitorientierte Gesinnung der Kommerzialitäten, die zur völligen Erschöpfung der Ressourcen führte, brachte den Kollaps herbei. Erst dann kamen viele dahinter, dass sie Freiheit und Kapitalismus verwechselt hatten", hieß es in seinem 1992 erschienen Roman Die Goldenen Heiligen oder Columbus entdeckt Europa, in dem es vordergründig um die Landung Außerirdischer auf der Erde ging. "Schreiben", sagte er einmal, "war für mich Arbeit an der Würde des Menschen."

Am Donnerstag starb der Autor nach längerer Krankheit in Bozen. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 21.9.2012)