Dritte Septemberwoche, und es herbstelt sehr. Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass der Herbst die einzige Jahreszeit ist, aus der man ein Verb mit -ln machen kann? Nach winterln, frühlingln und sommerln können Sie im Wörterbuch lange suchen. Miachtln gibt es natürlich, aber das gilt nicht, weil der Miacht ist schließlich keine Jahreszeit.

Doch eigentlich ist heute nicht die deutsche Wortbildung das Thema, sondern die Rückkehr der Deutschen nach Österreich. Im September haben die Deutschen (im Folgenden "Germanen") den Heimaturlaub in Castrop-Rauxel oder Wanne-Eickel hinter sich gebracht und ziehen zeitgleich mit den Zugvögeln scharenweise nach Süden. Weil: Blöd ist der Germane ja nicht.

Er handelt nach der Erkenntnis "Ubi bene, ibi patria" und weiß, dass es in Klagenfurt allemal knorker ist als in Kassel und in Dornbirn doppelt so dufte wie in Düsseldorf. Daher jeden Herbst der aufs Neue ertönende Germanen-Schlachtruf: "Gehn wer mal wieder runter, Schluchtenscheißer überfremden."

Sollten wir Österreicher uns deshalb Sorgen machen? Ich glaube: ja, vor allem aus sprachlichen Gründen. Das konstante öffentliche Dreinreden der Germanen - in den Wiener Straßenbahnen fühlt man sich inzwischen wie auf einem Marktplatz in Mecklenburg-Vorpommern - gefährdet unseren Wortbestand und unterminiert österreichische Nationalheiligtümer wie Marille und Karfiol. Schlechte Gewohnheiten schleichen sich ein. Wo wir heute noch von Zibebe und Zumpferl sprechen, da winken uns morgen womöglich Rosine und Schniedelwutz!

Spätestens dann aber, wenn einmal der Schniedelwutz nach Österreich eindringt, wäre ein nationaler Zusammenschluss der Politik gefragt. Freilich: So wie es aussieht, haben wir von ihr nicht viel Gescheites zu erwarten. Einen Untersuchungsausschuss zur linguistischen Überfremdung des Landes würden SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ viribus unitis abstechen.

Die Profi-Xenophoben von der FPÖ, sonst immer leidenschaftlich dabei, wenn es darum geht, ein paar armselige Albaner oder tramhapperte Türken zu sekkieren, ziehen bei den Germanen aus alter Gewohnheit brav das Zumpferl ein. Und aus welchem Grund sollte man auf den Polit-Newcomer Frank Stronach als Retter unserer Sprachidentität hoffen? Der kann doch nicht einmal selber Deutsch. (Christoph Winder, Album, DER STANDARD, 21./22.9.2012