31 Prozent der Wiener Mietwohnungen sind Gemeindewohnungen.

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Die Wiener Wohnungspreise steigen - doch wer ist davon überhaupt betroffen? Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) lud am Donnerstag zu einem relativ kurzfristig anberaumten Pressegespräch, um klarzumachen: Es ist nur ein sehr kleiner Teil der Wiener Mieterinnen und Mieter, der von den laufenden starken Erhöhungen der letzten Jahre betroffen ist. Konkret sollen es nur fünf Prozent aller Mietverträge sein, weil der allergrößte Teil - etwa die Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen, aber auch sehr viele Privatwohnungen - sich im Bereich der Kategorie- und Richtwertmieten bewegt.

41 Prozent Privatwohnungen

Konkret sind von den insgesamt 960.000 Wohneinheiten in ganz Wien mehr als drei Viertel (78 Prozent) Mietwohnungen. Der Rest entfällt auf Eigentumswohnungen, Reihenhäuser oder frei stehende Einfamilienhäuser im Eigentum sowie "sonstige Rechtsverhältnisse", beispielsweise Ausgedingewohnungen oder Wohnungen in Wohnanlagen, die mit "Wohnrecht auf Lebenszeit" bewohnt werden.

Von den somit rund 750.000 Mietwohnungen (inklusive Nebenwohnsitzen) stellt der öffentliche bzw. geförderte Sektor den Löwenanteil, nämlich die Gemeinde Wien (31 Prozent, also rund 230.000) und die gemeinnützigen Bauträger (28 Prozent, rund 210.000).

Der "Rest" von 41 Prozent (rund 310.000 Wohnungen) ist der private Wiener Wohnungsmarkt. "Privat" heißt aber freilich nicht, dass der Mietzins frei vereinbar wäre; in den meisten Fällen gilt nämlich auch hier eine gesetzliche Mietenbeschränkung. Übrig bleibt laut den Berechnungen des Wohnbauressorts ein Anteil von höchstens fünf Prozent, der dann tatsächlich der freien Mietzinsvereinbarung unterliegt, wo also Marktmieten verlangt werden können.

Schwierige Rechnungen

Die Berechnungen sind allerdings im Detail etwas schwer nachzuvollziehen. Man habe hier versucht, mehrere Quellen, die auch teils fehlerhaft gewesen seien, auf einen Nenner zu bringen, erklärt ein Sprecher Ludwigs. Dann hat sich auch in die Presseunterlagen ein Fehler eingeschlichen; wie sich auf Nachfrage von derStandard.at herausstellte, wurde zunächst ein zu geringer Anteil jener privaten Mietverträge, die dem Richtwertmietzins unterliegen oder für die ein "angemessener Mietzins" gilt, angenommen.

Wie dem auch sei, ob es nur fünf Prozent oder doch zehn Prozent sind, die der freie Markt bestimmt: Es ist aus Mietersicht natürlich der Wiener Wohnpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte zu verdanken, dass es einen derart hohen Anteil an gedeckelten Mieten gibt (59 Prozent der Hauptmietverhältnisse), der Druck auf den Gesamtmarkt ausüben kann. Das ist bei weitem nicht überall so, Wien darf hier auch weiterhin weltweit als Vorbild gelten.

"Undurchschaubar"

Dennoch sind auch im an sich "geregelten" Markt Absurditäten möglich. Nicht jeder neue Mieter weiß, dass sein Mietzins eigentlich dem Richtwert unterliegt und er überprüfen lassen kann, ob die Höhe angemessen ist. Nicht jede neue Mieterin lässt die Mietzinshöhe überprüfen, sondern nimmt die höhere Miete in Kauf, weil ihr die Wohnung passt, sie sich leisten kann und auch keine Schwierigkeiten mit dem Vermieter haben will.

Der Terminus des "angemessenen Mietzinses", der im Mietrechtsgesetz (MRG) geregelt ist und als "Vergleichsmiete zwischen Wohnungen gleicher Größe, Art, Beschaffenheit, Lage und Ausstattung" berechnet wird, wird von Mieterorganisationen als "relativ undurchschaubar" bezeichnet; "er gilt eigentlich als Marktmiete", schreibt die SP-nahe Mietervereinigung, die Höhe könne allerdings bei der Schlichtungsstelle bzw. vom Gericht überprüft werden. Dass eine solche Überprüfung wahrscheinlich zu selten angestrengt wird, zeigt eine weitere Zahl aus dem Wohnbauressort: Rund 1.000 Mietzinsüberprüfungsverfahren gab es im Vorjahr, allerdings nahmen die Fälle in den letzten Jahren relativ stark zu.

Mittelmaß bei Wohnungsgrößen

Vier von zehn Wiener Wohnungen sind übrigens zwischen 60 und 90 Quadratmeter groß. Kleinstwohnungen von unter 45 m² machen nur noch 15 Prozent des Bestands aus.

Was den Leerstand betrifft, nannte Ludwig am Donnerstag die Größenordnung von 30.000 bis 35.000 - also etwa drei Prozent des gesamten Wiener Wohnungsbestands. So viele Wohnungen standen im Jahr 2011 im Schnitt leer, wobei der größte Teil davon den vielzitierten "Bodensatz" ausmacht: Wohnungen, die eine Zeit lang leer stehen müssen, weil sonst nicht umgezogen werden kann.

Wohnbau bleibt gleich

In den Wohnbau werde im nächsten Jahr wieder genauso viel Geld wie heuer fließen, kündigte Ludwig ebenfalls bereits an - nämlich 558 Millionen Euro. Grundsätzlich ist für ihn in Österreich ein "stärkeres Bekenntnis zum Wohnbau gefragt", so der Wiener Stadtrat.

Bezüglich der mancherorts angestrebten Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbauförderung gab er sich pragmatisch: Kommt sie wieder, hat er nichts dagegen - "das hat für uns in Wien aber ohnehin keine Bedeutung, weil wir ohnehin mehr Geld in den Wohnbau stecken, als wir vom Bund dafür bekommen".

"Großen Appetit" hat Ludwig nach wie vor auf die Wiener Kasernenareale - er hofft sogar darauf, dass durch eine etwaige Umstellung auf ein Berufsheer noch mehr als die bisherigen Liegenschaften zum Verkauf kommen. Von den Verhandlungen mit dem Verteidigungsministerium bzw. der Sivbeg gebe es nichts Neues zu berichten, so der SP-Stadtrat. (Martin Putschögl, derStandard.at, 21.9.2012)