Hauptdarsteller Kris Kristofferson ist ein vehementer Verteidiger von Michael Ciminos Spätwestern "Heaven's Gate." Er kommt auch in Michael Epsteins sehenswerter Doku "Final Cut: The Making and Unmaking of Heaven's Gate" zu Wort.

Foto: MGM

"An unqualified disaster." Das vernichtende Urteil, mit dem Vincent Canby, enorm einflussreicher "Make-or-break"-Kritiker der "New York Times", Michael Ciminos Film "Heaven's Gate" bei seiner desaströsen New Yorker Premiere im November 1980 bedachte, gehört längst wie viele andere Superlative zum medialen Mythos dieses berühmt-berüchtigten Spätwesterns. Als einer der "größten Flops der Filmgeschichte", der das Filmstudio United Artists in den Untergang getrieben und das Ende der Ära des New Hollywood besiegelt habe, wurde die Produktion wiederholt bezeichnet. Statt ursprünglich geplanter elf soll sie rund 44 Millionen Dollar verschlungen haben.

Gefährliches Land

Dass dem Film, anders als in Europa, in den USA bis heute wenig Wertschätzung zuteilwurde, mag nicht nur am seinerzeit vorrangig thematisierten Produktionsdebakel liegen. Mit seiner melancholischen Erzählung vor dem Hintergrund des Johnson County War, in dem Großgrundbesitzer versuchten, osteuropäische Einwanderer gewaltsam zu vertreiben, musste sich der Film zwangsläufig wie ein Störfaktor in der beginnenden Reagan-Ära ausnehmen. "It's getting dangerous to be poor in this country", sagt jemand im Film. "It always was", lautet die ungemütliche Antwort.

Die wohl differenzierteste Darstellung der Produktionsgeschichte von "Heaven's Gate" stammt mit Steven Bach ausgerechnet von jemandem, der wegen des Films als Senior Vice-President von United Artists gefeuert wurde: Mit seinem 1985 erschienenen, ebenso spannenden wie aufschlussreichen Buch "Final Cut: Art, Money, and Ego in the Making of Heaven's Gate, the Film That Sank United Artists" lieferte er auch die Vorlage für die 2004 gedrehte Doku "Final Cut: The Making and Unmaking of Heaven's Gate".

Das abendfüllende Making-of, für das Filmemacher Michael Epstein mit Hauptdarsteller Kris Kristofferson einen vehementen Verteidiger von "Heaven's Gate" vor die Kamera bat, kann als Indiz für eine ansatzweise Neueinschätzung auch in den USA gesehen werden. Mittlerweile gibt es eine Facebook-Seite, die sich für eine Rehabilitierung von "Heaven's Gate" starkmacht. Und im November erscheint in den USA nun eine vom Edel-DVD-Label Criterion und Regisseur Cimino restaurierte und autorisierte Fassung auf DVD und Blu-ray. Epsteins sehenswerte "Final Cut"-Doku wird darauf zwar nicht zu finden sein, kann aber in acht Teilen im Netz abgerufen werden.

Festivalerfolg

Gezeigt wurde die restaurierte Fassung von "Heaven's Gate" in Anwesenheit Ciminos unter anderem bereits bei den diesjährigen Filmfestspielen in Venedig. Dort machte der Regisseur, dessen Karriere nach "Heaven's Gate" ins Stocken geriet, kein Hehl aus der traumatischen Erfahrung, die sein dritter Spielfilm für ihn bedeutete:  "I've had enough rejection for 33 years. I don't need more. Being infamous is not fun. It becomes a weird kind of occupation in and of itself."

Bei der Vorführung vor wenigen Tagen am New York Film Festival war neben Cimino auch Kristofferson im Publikum. Gegenüber der "New York Times", die den Film einst in Grund und Boden stampfte, wies der Schauspieler erneut auf Ablehnungsgründe jenseits des Einspielergebnisses hin. Immerhin konnte der damals am Filmgeschäft bereits desinteressierte Mutterkonzern von United Artists den "Heaven's Gate"-Flop innerhalb weniger Tage ohne gravierende Folgen abschreiben. Ronald Reagans Justizminister William French Smith hatte indessen die Losung ausgegeben: "There should be no more pictures made with a negative view of American history." Für Kristofferson ist das "Heaven's Gate"-Debakel denn auch ein klarer Fall: "It was a political assassination." (Karl Gedlicka, derStandard.at, 10.10.2012)