Eine vernachlässigte Ehefrau erwägt neue Praktiken: Meryl Streep in David Frankels Eheberatungsfilm "Wie beim ersten Mal".

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Wien - Die Filmindustrie hat in den letzten Jahren eine lange vernachlässigte Zielgruppe wiederentdeckt. Die sogenannten "best ager", Menschen über 50, verfügen über Geld und zunehmend Freizeit. Das vorherrschende Kinoangebot aus Action, Comicverfilmungen und Teeniekomödien finden sie nur bedingt ansprechend. Auch ihre Stars sind mit diesen Zuschauerinnen und Zuschauern in die Jahre gekommen. Man möchte einander gerne in anderen Lebensabschnittserzählungen wiederbegegnen.

Diane Keaton und Jack Nicholson in Was das Herz begehrt, Isabella Rossellini und William Hurt im demnächst anlaufenden Late Bloomers und immer wieder Meryl Streep sind in diesem Zusammenhang zu Rolemodels avanciert. Streep hat beispielsweise 2009 mit Nancy Meyers Komödie Wenn Liebe so einfach wäre (It's complicated) neben Alec Baldwin einen einschlägigen Erfolg gefeiert. Als geschiedene Geschäftsfrau mit erwachsenen Kindern, die sich unverhofft in eine heimliche Affäre mit ihrem längst wiederverheirateten Ex-Mann stürzt.

In David Frankels Dramedy Wie beim ersten Mal (Hope Springs) hat Streep als seit über 30 Jahren verehelichte Kay eindeutig weniger zu lachen. Der Ehealltag ist eingespielt und lieblos. Gleich in der ersten Szene wird Kays nächtlicher Annäherungsversuch im hellblauen Chiffonnachtkleid von Ehemann Arnold mürrisch zurückgewiesen. Ihr Vorschlag, sich in Paartherapie zu begeben, wird rüde abgeschmettert. Weil Kay nicht nachgibt und weil sie die einwöchige Beratung beim Spezialisten in einem malerischen Küstenstädtchen in New England schon bezahlt hat, lenkt Arnold schließlich doch ein. Aber schon die erste Sitzung bei Dr. Feld (Steve Carell) droht bereits wieder an seinem Widerstand zu scheitern.

Die Situation als solche wirkt nachvollziehbar. Tommy Lee Jones spielt den verbissenen, nicht unbedingt sympathischen Haustyrannen mit merklicher Lust am Griesgrämigsein. Streep hingegen muss sich unter Wert schlagen: Die weibliche Hauptfigur, die sich Fernsehautorin Vanessa Taylor für ihr erstes Kinodrehbuch ausgedacht hat, wirkt verhuscht und verklemmt, als lebe sie noch in den 1950er-Jahren. Um ans Ziel ihrer Wünsche zu kommen, muss sie sich zuerst einmal ordentlich vorführen lassen.

Außerdem ist Wie beim ersten Mal zu großen Teilen ein Kammerspiel. In Dr. Felds Praxis sitzen einander der Therapeut im Sessel und das Paar auf dem Sofa gegenüber. Der Abstand zwischen Kay und Arnold darf dabei je nach Stimmungslage vielsagend variieren, in die Schuss-Gegenschuss-Routine bringt das noch keine große Dynamik. Was um alles in der Welt einen quirligen Komiker wie Steve Carell in den Therapeutenstuhl verschlagen hat - man weiß es nicht. Der ganze Film wirkt wie eine überlange, misslungene Folge von In Treatment.    (Isabella Reicher, DER STANDARD, 25.9.2012)