Alltags- und Lebensstaub: Anna Weidenholzer.

Foto: Lukas Beck

Seit längerem wird der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, zumal wenn sie von jüngeren Autoren geschrieben ist, Blutleere vorgeworfen. Im Großraumbüro der deutschsprachigen Literatur würden vorwiegend fade Familien- und Adoleszenzgeschichten produziert, konstatierte etwa die FAZ.

Dass es auch anders geht, beweist die 1984 in Linz geborene Anna Weidenholzer mit ihrem Roman Der Winter tut den Fischen gut (Residenz). Nachdem sich die Autorin schon in ihrem Erzählband Der Platz des Hundes (Mitter) mit den Möglichkeitsräumen des Lebens befasste, erweist sie sich auch in ihrem nun vorliegenden ersten Roman als genaue Beobachterin und präzise Stilistin. Maria, die Hauptfigur des Buches, ist Ende Vierzig, verwitwet - und arbeitslos. 20 Jahre arbeitete sie in einer Boutique und wurde als älteste Mitarbeiterin gekündigt. "Sie haben jetzt die Freiheit, von vorn zu beginnen", meint der Chef.

Allerdings ist es heute, wie wir wissen, mit der Freiheit so eine Sache. In 54 kurzen Kapiteln erzählt Weidenholzer Marias Lebensgeschichte rückwärts, also von der Gegenwart zurück in die Kindheit. Es ist viel Alltags- und Lebensstaub in diesem feinfühligen Buch, das von Glück, Trauer, Hoffnung, dem Warten und jener wortlosen Einsamkeit an der schattigen Peripherie einer Gesellschaft erzählt, in der es kalt geworden ist. (steg, DER STANDARD, 26.9.2012)