Wer als Zuschauer einer Performance schon einmal den Drang verspürt hat, den Darstellern auf der Bühne den herausschauenden Hemdzipfel in die Hose zu stecken, die verrutschte Perücke geradezurichten oder das Make-up zu verschönern, hat nun die Chance, dies zu tun. Die Gruppe La Pocha Nostra - ein sich ständig wandelndes Kunstprojekt - macht ihr Publikum zu Mitspielern und Komplizen im aktionistischen Kampf gegen die Grenzen von Kultur, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, Sprache und Disziplin.

Mit einem Mix aus Ritual, Performance und schrägem Entertainment möchte das mexikanisch-amerikanische Künstlerkollektiv rund um den Autor, Aktivisten und radikalen Pädagogen Guillermo Gómez-Peña gesellschaftspolitische und kulturübergreifende Missstände wie rechtsextremen Isolationismus, Fremdenfeindlichkeit oder die Brutalität organisierter Kriminalität aufzeigen und untersuchen. Die Performancegruppe wurde 2001 als Forum für ein loses Netzwerk rebellischer Künstler unterschiedlicher Disziplinen, Generationen und ethnischer Herkunft gegründet und sitzt in San Francisco.

In den Aufführungen von La Pocha Nostra tritt das Publikum in eine " totale Umwelt", wo die sich selbst als "Ethno-Cyborgs" (Mischwesen aus Mensch und Maschine) bezeichnenden Performer zwischen Videoprojektionen, Nebelwolken, einbalsamierten Tieren und alten medizinischen Figurinen sowie diversem "Ethno-Kitsch" agieren. Die Zuschauer werden von Voyeuren zu Akteuren, die den Abend, wenn sie möchten, auch inhaltlich mitgestalten. Die Performer dürfen berührt, geschminkt, umgekleidet und gefüttert werden.

Die aktuelle Performance The Insurrected Body, eine Realityshow aus der Serie Psycho Magic Actions for a World Gone Wrong, wird beim Steirischen Herbst uraufgeführt. Roboter-Barock, Cyborg-Kitsch und bissiger Humor werden zu einem Hybrid aus lebendem Archiv und radikaler Pädagogik versponnen. Die Radikalperfomer (Guillermo Gómez-Peña, Erica Mott & Roberto Sifuentes) laden auch diesmal die Zuschauer ein, das Experiment, welches an jedem Vorstellungsabend neu beginnt, mitzugestalten. (Elisa Weingartner, Spezial, DER STANDARD, 28.9.2012)