Darin werden die letzten Momente im Leben eines Mannes vor dem Suizid rekonstruiert.

Am 19. August 1978 starb Rabih Mroués Mutter als Milizsoldatin im Libanesischen Bürgerkrieg. Dieser Krieg (1975 bis 1990) und die politische Entwicklung des Libanon seither stellen den zentralen Aspekt im Werk des 1967 in Beirut geborenen Künstlers dar. Beim Steirischen Herbst präsentiert er nun das gemeinsam mit Lina Saneh erarbeitete Stück 33 rounds and a few seconds.

In Österreich sind Mroué und Saneh bekannt. Die beiden miteinander verheirateten Künstler waren wiederholt im Tanzquartier Wien zu Gast. Bei den Wiener Festwochen zeigte Mroué 2008 das zusammen mit Fadi Toufic produzierte Stück How Nancy wished that everything was an April fool's joke. Beim Steirischen Herbst 2011 war in der Camera-Austria-Ausstellung Communitas. Unter anderen seine Bilderserie Noiseless über verschwundene libanesische Bürger zu sehen.

Wie in 33 rounds and a few seconds geht es Mroué und Saneh um die Anwendung dokumentarischer Strategien in künstlerischen Formaten. Beide arbeiten in Beirut als Autoren, Regisseure und Schauspieler. Bei der Documenta 13 zeigte Rabih Mroué in seiner Lectureperformance Pixelated Revolution Bilder, die im syrischen Bürgerkrieg getötete Menschen mit ihren Handykameras von ihren Mördern gemacht haben.

Immer wieder übersetzen Mroué und Saneh rätselhafte, dunkle Phänomene oder Ereignisse in Lectures und Performances. Vor allem solche, die durch Konflikte oder von bestimmten politischen Konstellationen vor allem in ih-rer Heimat verursacht wurden. 33 rounds and a few seconds handelt von einem jungen Libanesen, der den Freitod wählt. Im Stück werden die letzten Momente vor dem Suizid rekonstruiert. In dieses Gerüst hängen Mroué und Saneh die Erzählung über einen gespaltenen Libanon ein, in dem der Arabische Frühling nicht stattfand, vielleicht nicht einmal besonderen Eindruck machte.

Der junge Mann hat einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er festhält, sein Aus-dem-Leben-Scheiden habe nichts mit den politischen Verhältnissen zu tun. Es seien lediglich private Gründe im Spiel. Trotzdem, der Fall wird bekannt, und es funkt in der Gesellschaft. Ein großes Rätselraten beginnt. Indes funktionieren die Kommunikationsapparate des Verstorbenen weiter: Sein Mobiltelefon, sein Computer, das Fernsehgerät, der Anrufbeantworter. In der großen Kommunikationswolke zwischen diesen Endgeräten entwickeln sich angespannte Spekulationen über die Gründe seines Selbstmords.

Auch hier geht es Mroué und Saneh um von einem Menschen hinterlassene Spuren. Und um Dynamiken, die ein Individuum auslösen kann - wie Mohamed Bouazizi in Tunesien, dessen Selbstverbrennung den arabischen Aufstand auslöste. (Helmut Ploebst, Spezial, DER STANDARD, 28.9.2012)