Wien - Bereits seit längerer Zeit ist bekannt, dass die Ablagerungen am Meeresboden eine große Anzahl an Mikroorganismen beherbergen. Es gibt sogar Schätzungen, dass diese Sedimente die größte Menge an Mikroorganismen auf diesem Planeten beherbergen, sagt Christa Schleper, Leiterin des Departments für Ökogenetik der Uni Wien.

"Das ist ein Ökosystem, das man bisher nur ganz, ganz wenig kennt", so die Forscherin. In einer neuen Untersuchung entnahm ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Universität Wien Proben des Meeresbodens in der Nähe des hydrothermal aktiven Feldes "Loki's Castle", das sich etwa auf halbem Weg zwischen Norwegen und Grönland befindet. Die heißen Quellen entstehen, weil die tektonischen Platten dort langsam auseinanderdriften. Für die Forschung ist dieses Gebiet besonders interessant, da sich die Umweltbedingungen sehr schnell verändern und die Sedimentbildung entsprechend rasch vonstatten geht.

Das Ergebnis dieser Vorgänge ist ein stark geschichteter Meeresboden. Schleper: "Da sehen wir, dass sich auf Zentimeterunterschieden ganz große Veränderungen ergeben." Die Sedimente wurden geologisch, biologisch und chemisch genauestens untersucht. Auf Analysen derartiger Proben ist man an der Uni Wien spezialisiert. "Wir benutzen neueste molekulare Techniken und schauen damit, wer denn dort so lebt. Diese Daten setzen wir dann in Bezug zu den chemischen Befunden", so die Forscherin.

Anpassungsprozesse

"In dieser Intensität sind molekulare Untersuchungen mariner Sedimente noch nie vorher gemacht worden", da erst in den vergangen Jahren neue Möglichkeiten im Bereich der DNA-Sequenzanalyse entwickelt wurden. Es sei nun klar, "dass die Organismen dort nicht einfach herumliegen, sondern wirklich aktiv sind, da sie zu der sich ändernden Geochemie passen", erklärte Schleper. Die Forscher konnten erstmals zeigen, wie sehr die Häufigkeiten bestimmter Gruppen mit ganz bestimmten geochemischen Umweltbedingungen zusammenhängen.

"Das interessiert uns, weil wir wissen, dass die Organismen etwa aus anorganischen Salzen unabhängig vom Sonnenlicht und viele auch unabhängig von Sauerstoff Energie gewinnen können", so die Forscherin. Aufgrund der neuen Daten könnten die Wissenschafter jetzt gezielter Vorhersagen darüber treffen, wovon diese Organismen leben. Man könne nun einfacher Hypothesen dazu entwickeln, wie man die mikrobiellen Aktivitäten nachweisen könnte, um festzustellen, welchen Beitrag sie zu den großen Stoffumsetzungen im Meer leisten.

Schleper und ihr Team haben insbesondere ammoniakoxidierende Archaeen im Visier. Auf diese "dort unglaublich häufig vorkommende Gruppe" sei man in Wien zwar schon länger spezialisiert, durch die neuen Erkenntnisse würden sich aber wieder neue Fragen und Forschungsansätze ergeben. (APA/red, derStandard.at, 2. 10. 2012)