Formal hat Peer Steinbrück natürlich recht. Warum sollte der designierte SPD-Kanzlerkandidat auch noch seine Steuererklärung veröffentlichen? Er bezieht, zusätzlich zu seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter, Nebeneinkünfte (etwa für Vorträge). Was er dafür bekommt, listet er ordnungsgemäß auf der Homepage des deutschen Bundestags auf. Die Pflicht zur Veröffentlichung der Steuererklärung ist im Gesetz nicht vorgesehen.

So weit, so korrekt also. Und dennoch kann sich Steinbrück nicht so einfach aus der Affäre ziehen. Die Deutschen sind extrem sensibel, was die Nebenjobs ihrer Politiker betrifft. Als Gerhard Schröder nach Ende seiner Kanzlerschaft bei Gazprom anheuerte, war die Empörung groß.

Jetzt, bei Steinbrück, fragen sich viele: Was streift er da ein? Besonderes Interesse gilt den vielen Jobs, die mit mehr als 7000 Euro dotiert sind. Man weiß nicht, ob für eine Rede vor Bankern 7000 oder 20. 000 Euro flossen. Das Gesetz schreibt in dieser Zone keine weitere Transparenz vor.

Da ist am Stammtisch schnell der Vergleich zum Sozialhilfeempfänger, der im Monat 378 Euro bekommt, parat, zumal Steinbrück als wirtschaftsliberaler Politiker gilt, dem die sozial Schwachen nicht ganz so am Herzen liegen. Der einfache Bundestagsabgeordnete Steinbrück könnte sich auf seine rechtlich korrekte Position zurückziehen. Der Kanzlerkandidat Steinbrück hingegen wird sich etwas einfallen lassen müssen, um die Gemüter zu beruhigen. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 4.10.2012)