Man kann getrost die Ware aus den Supermärkten oder von den Marktstandeln nehmen, muss dann aber damit rechnen, dass nicht jede Zehe schön antreiben wird.

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Der Oktober gehört bestimmt zu den zehn bis zwölf schönsten Gartenmonaten des Jahres. Noch wird es zeitig hell, aber im Gegenzug wird es auch zeitig dunkel. Schon kriecht die Dämmerung feucht in den Garten und legt sich kühl um die arthritischen Gelenke des erschöpften Gärtners, der abends draußen noch ein wenig nach dem Rechten sieht.

Das ist die Chance für Vampire, im Dunkeln eine Attacke zu fliegen und ein wenig am Gärtner zu nuckeln. Der greift jedoch gelassen zum Knoblauch, denkt sich "eing'fahren", und steckt in aller Ruhe Zehe für Zehe in die Erde. Denn der Oktober ist auch der ideale Monat zum Knoblauchpflanzen.

Abspaltungen

Was braucht es dazu? In erster Linie Knoblauch. Man kann getrost die Ware aus den Supermärkten oder von den Marktstandeln nehmen, muss dann aber damit rechnen, dass nicht jede Zehe schön antreiben wird. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, kauft sich "speziellen Spezialknoblauch" zum Stecken und genießt das Gefühl, nicht irgendeinen "Semper et ubique"-Knoflproleten in die Erde zu drücken. Letztendlich bleibt es beim Allium sativum, dem gemeinen Knoblauch unter den spargelartigen Amaryllisgewächsen.

Allium sativum ist ein Lauch mit Zwiebel unten dran und verhält sich auch so. Das bedeutet, dass es sich auch vegetativ vermehrt, ohne Sex und dessen Begleitgeräuschen. Die Zwiebel des Knoblauchs bildet Spalte für Spalte - die spalten sich ab und bilden neue Spalten. Relativ rasch entstehen auf diese Weise über die Jahre ganze Rudel von Knoblauchklonen im Gemüsebeet. Das sollte einem bewusst sein! Klone!

Wer also aus einer Zehe eine ganze Knolle formen möchte, steckt im Oktober die einzelnen Zehen in die Erde. Ein Tipp: Wurzel nach unten, Spitze nach oben. Wenn dann im Frühjahr die Zwiebel austreibt, kann die Ernte beginnen. Je früher man erntet, desto milder ist der Geschmack.

Alle Augen auf die Bulbillen

Es empfiehlt sich weiters, auch im Frühjahr eine Charge Knoblauchzehen in die Erde zu drücken, dann kann man im August, rund um die Blüte, schön intensiven Knoblauch ernten. Übrigens bilden sich auch in der Blüte selbst kleine Zwieberln, sogenannte Bulbillen, die man in der Folge im Oktober zur Vermehrung steckt.

Wer geduldig ist und meint, "size matters", der lässt die Knoblauchpflanze über zwei Jahre hinweg unberührt in der Erde und erfreut sich dann über dicke, dralle Zwiebeln. Und was zusammengehört, ist auch zur gleichen Jahreszeit reif: Paradeiser, Basilikum und Knoblauch. Parmesan und Pasta hingegen reifen deutlich früher.

In Wien wird dem Knoblauch sogar so sehr gehuldigt, dass man ihn tautologisch "Vanille des kleinen Mannes" nennt und gedünstet wie frittiert zum Rostbraten serviert. Der Vanillerostbraten gehört damit zu den "signature dishes" Wiens.

Aura des öffentlichen Leidens

Wer jedoch dem Knoblauch zu sehr zuspricht, der lässt in der Folge seine Umgebung unter seiner Aura, vulgo Ausdünstung, leiden. Und das kommt nicht von ungefähr, sondern von den Schwefelverbindungen in den Zehen. Es ist das Alliin, das zu Allicin abgebaut wird und welches, wie die meisten Schwefelverbindungen, erinnernswert stinkt.

Erhitzt man Derivate des Allicin, so fangen diese so richtig schön zu knofeln an. Aber auch der Blutfarbstoff Hämoglobin ist imstande, das Allicin zum Stinken zu bringen, in dem er es zu Schwefelwasserstoff umwandelt. Über die gut durchbluteten Lungenbläschen gelangt so der Schwefelwasserstoff in den Atem. Das sorgt für ein sorgenfreies Rumstapfen im nächtlichen Oktobergarten. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 5.10.2012)