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Schwierige Mission: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wagt sich nach Athen. Ihr Besuch wird als symbolische Geste gewürdigt, doch von Streiks und Protesten begleitet werden.

Foto: Reuters

Athen - Wenigstens sitzt dieses Mal der Stahlhelm salopp schief auf dem Kopf, und statt der üblichen Springerstiefel und Nazi-Uniform trägt Angela Merkel einen Reisekoffer. In dem liegt allerdings nicht nur Geld, sondern wohl auch der nächste Tagesbefehl zum Sparen aus Berlin. " Willkommen, aber ...", titelt die griechische Tageszeitung Ta Nea auf Deutsch vor dem Besuch der deutschen Kanzlerin in Athen am morgigen Dienstag.

Die Karikatur gibt die Stimmung im Land wieder: In das jahrelang aufgebaute Bild von Merkel als unerbittliche Zuchtmeisterin der Griechen mischt sich auch ein bisschen Anerkennung über ihre Geste. Kein Regierungschef der EU hat es in drei Jahren akuter Finanzkrise bisher nach Athen geschafft. Werner Faymann kam 2011 - zu einem Treffen der europäischen Sozialdemokraten.

Arbeitsbesuch in Athen

Der Arbeitsbesuch der Kanzlerin, am Freitag vergangener Woche kurzfristig angekündigt, folgt auf die kritische Sitzung der Finanzminister der Euro-Gruppe heute in Luxemburg. Merkel, so die Erwartung in Athen, wird sich für die Auszahlung der nächsten Mega-Rate von 31 Milliarden Euro an Griechenland aussprechen - vorausgesetzt, die Sparliste von nunmehr 14,5 Milliarden Euro steht und ist unterschrieben.

Die beiden großen Gewerkschaften des Landes haben bereits eine Protestdemonstration vor dem Parlament angekündigt. Syriza, die linksradikale größte Oppositionspartei, und ihr Chef Alexis Tsipras sind ganz vorne dabei. Die Rechtspopulisten der Partei Unabhängige Griechen wollen vor der deutschen Botschaft aufziehen, öffentlicher Dienst und Privatwirtschaft für drei Stunden die Arbeit niederlegen. Wenn sich auch die Fluglotsen wieder zu einem Streik hinreißen lassen, hat Merkel ein Problem.

Unterstützung für Samaras

Ihren Besuch sehen alle Kommentatoren in Athen als Unterstützung für Samaras in großer Not. Seit Tagen machen Spekulationen über eine Regierungsumbildung und ein Ausscheiden der kleinen Partei Demokratische Linke aus der Koalition die Runde. Ein Skandal um einen USB-Stick mit den Namen mutmaßlicher Steuersünder bringt zudem den anderen Koalitionspartner, die sozialistische Pasok, in arge Bedrängnis. Parteichef Evangelos Venizelos hatte den Stick im Sommer 2011 vom damaligen Chef der Finanzpolizei bekommen. Venizelos war damals gerade Finanzminister geworden. Der Stick mit dem Datensatz blieb in der Schublade von Venizelos' Sekretärin und tauchte erst vergangene Woche wieder auf, als sich die Finanzpolizei an die Liste griechischer Konteninhaber bei der Schweizer HSCB-Bank erinnerte und den amtierenden Finanzminister Yiannis Stournaras neugierig machte.

Steuerpolizei untersucht

Der Datensatz wurde von dem früheren HSCB-Angestellten Hervé Falciani geklaut, der bereits das französische und spanische Finanzministerium mit einer Liste mutmaßlicher Steuersünder versorgt hatte. Im griechischen Fall soll es um 1,5 Milliarden Euro gehen. Parallel dazu untersucht die griechische Steuerpolizei derzeit 60 Politiker.

Während Athen weiter auf seine Kreditrate warten muss, wird Portugal heute, Montag, von den Euro-Finanzministern die Freigabe von 4,3 Milliarden Euro erhalten und dazu noch ein Jahr mehr Zeit bis 2014, um sein Budgetdefizit auf drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung zu drücken.(Markus Bernath, DER STANDARD, 8.10.2012)